Das Licht hinter den Wolken

Gastgespräch mit CHRISTOPH LODE, Teil 1

Christoph Lode, geboren 1977, wuchs in Hochspeyer bei Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz) auf. Nach dem Abitur studierte er in Ludwigshafen am Rhein und arbeitete anschließend im Öffentlichen Dienst, zuletzt in einer Psychiatrischen Klinik bei Heidelberg. Bereits mit seinen ersten beiden historischen Romanen, „Der Gesandte des Papstes“ und „Das Vermächtnis der Seherin“, sorgte er ebenso für Furore wie mit der großen Fantasy-Trilogie „Pandæmonia“. Heute widmet er sich ganz dem Schreiben. Er ist verheiratet und lebt in Mannheim.

Oliver: Willkommen auf meinem Blog, schön, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Also dann … leg einfach mal los!

Christoph: Das Setting von „Das Licht hinter den Wolken“ geht auf eine alte Fantasy-Rollenspiel-Welt von dir zurück, wie du in diesem Eintrag ja berichtest. Wie unterscheidet sich die Romanwelt von der Rollenspielversion?

O: Das Zweiringeland, wie der Kontinent heißt, ist im Roman weniger überfüllt. Die Rollenspielwelt beherbergte über ein Dutzend verschiedene Völker, viele davon auf Grundlage Tolkiens. Davon sind im Roman nur 4 geblieben — und Fealva, Eolyn und Timei sind alle nicht so schrecklich häufig. Dieses „Downsizing“ war auch deshalb nötig, weil es mir im Rollenspiel zwar nichts ausmacht, Ideen aus anderen Büchern oder Filmen zu übernehmen — aber in meinen Romanen habe ich den Anspruch, möglichst eigenständig aufzutreten. Auch wenn man z.B. den Eolyn ihre elfischen Wurzeln noch deutlich anmerkt.

C: Weltenbau für Romane vs. Weltenbau für Rollenspiele — wo siehst du Unterschiede in der Herangehensweise?

O: Meine Rollenspielwelten gehorchten meistens dem Motto „von allem ein bisschen“, damit jeder Spieler etwas fand, das ihm Spaß macht. Romanwelten sollten aber möglichst eng mit der Geschichte verzahnt sein, quasi maßgeschneidert — im Extremfall kann man vielleicht gar keine andere Geschichte darin erzählen (Mittelerde ist ein gutes Beispiel hierfür). Zwar schafft es Atmosphäre, auf vergangene Zeiten und ferne Länder hinzuweisen; Tolkien tut das im Herrn der Ringe ständig. Aber er wusste auch, was in den Anhang gehört, und was in die Geschichte.

Von daher taucht auf der Karte des „neuen“ Zweiringelands, an der ich gerade arbeite, fast nichts auf, was nicht auch handlungsrelevant ist. Ich möchte mir allerdings die Möglichkeit offenhalten, eines Tages ins Zweiringeland zurückzukehren; deshalb gibt es noch genug Platz auf dieser Karte.

Wie bist Du denn beim Weltenbau für „Pandæmonia“ vorgegangen? Hast du von Anfang an eine Welt für drei Bücher entworfen, oder hast du die Welt von Band 1 nach und nach ausgebaut?

C: Ich hatte schon bei der Arbeit an Band 1 eine ungefähre Vorstellung von der Welt, wobei ich zunächst nur den Stadtstaat Bradost, den wichtigsten Schauplatz, im Detail ausgearbeitet habe. Da die Protagonisten der Trilogie recht bald feststellen, dass es nicht nur eine Realität gibt, sondern mindestens drei, musste ich außerdem das Traumreich sowie das titelgebende Pandæmonium und ihre jeweiligen Gesetzmäßigkeiten definieren. In Band 3, als die Protagonisten erstmals ihre Heimatstadt verlassen, habe ich dann endlich auch den Nachbarländern Bradosts Konturen und eine ordentliche Geographie verpasst. Hier lag der Schwerpunkt natürlich auf dem Dschungel- und Wüstenreich Yaro D’ar.

Genau wie du hatte ich beim Weltenbau den Anspruch, etwas zu schaffen, das man nicht schon tausendmal gelesen hat. Deshalb stand schon früh fest, dass ich vom gängigen tolkienesken Fantasy-Mittelalter weggehen und mich eher am 19. Jahrhundert orientieren würde. Bei Bradost merkt man diesen Ansatz am deutlichsten: Es erinnert stark an das früh-viktorianische London plus Alchemie plus Schattenwesen plus einen Schuss Steampunk für die richtige Würze.

O: Gerade die Elemente haben mir auch besonders gut gefallen — ich finde es immer spannend, Genregrenzen zu strapazieren. Du schreibst ja auch Historienromane. Siehst Du da als Autor Unterschiede zur Fantasy? Bislang habe ich den Eindruck, dass das Erfinden und das Recherchieren einer Welt exakt gleich viel Arbeit bereiten …

C: Der Arbeitsaufwand dürfte tatsächlich in etwa gleich sein, die Vorgehensweise ist aber schon eine andere. In der Fantasy ist man sehr viel freier in der Gestaltung des Romansettings, während die Leser und Leserinnen historischer Romane eine hohe Faktentreue erwarten. Für „Pandæmonia“ habe ich zwar auch recherchiert, aber hier eher mit dem Zweck, Ideen zu sammeln.

Als ich die erste Fassung von „Das Licht hinter den Wolken“ las, hatte ich den Eindruck, dass du ähnlich vorgegangen bist: Manche Kulturen erinnern zumindest vage an irdische Reiche bzw. Gesellschaften der frühen Neuzeit – das Strahlende Reich etwa ähnelt dem Römischen Reich und Byzanz. Hier und da bist du aber auch in eine ganz andere Richtung gegangen; besonders interessant fand ich die Elemente aus Western- und Mafia-Filmen, die du einfließen lässt. Was hat dich dazu bewogen?

O: Das ging wohl auf meine Idee zurück, einmal einen Roadmovie in einer Fantasywelt zu erzählen; irgendwas zwischen True Romance und Wild at Heart. Das Spaghetti-Western-Ambiente war die einfachste Möglichkeit, so einer Geschichte den passenden Rahmen zu geben. Ich wollte das technisch-kulturelle Gleichgewicht der Welt ja auch nicht komplett kippen; dennoch bezweifle ich, dass Authentizitäts-Freaks ihre Freude mit dem Roman haben werden. Es ist eher ein modernes Spiel mit alten Klischees — zumindest sehe ich es gerne so. Die Szene, in der Janner und Krayn sich anschicken, eine Dorfkneipe auseinanderzunehmen, ist für mich gedanklich auch meine „Tarantino-Szene“.

C: Reden wir mal über Romanfiguren. Wie gehst du vor, wenn du einen wichtigen Charakter, einen Protagonisten und Perspektivträger, kreierst?

O: Die Frage fällt mir ehrlich gesagt schwer. Manche Charaktere, wie Justine in den „Magiern“, entstehen aus der Notwendigkeit von Setting und Geschichte, andere, wie Sarik im „Licht …“, sind Charaktere, die mir noch aus Rollenspielzeiten nachgehen. Ich muss gestehen, wenn ich einen Charakter mal „vor mir sehe“ oder „seine Stimme höre“ ist er für mich genauso selbstverständlich „da“ wie der Rest des Settings. Das heißt, ich kann Dir ehrlich nicht sagen, wie ich sie „erschaffe“, weil ich es nicht als „erschaffen“ empfinde. Wie ist das bei dir?

C: Ich versuche, möglichst viele Figuren vor dem Schreiben auszuarbeiten, indem ich die Äußerlichkeiten (Aussehen, bevorzugte Kleidung usw.) festlege und mir Charakterzüge überlege. Bei wichtigen Figuren schreibe ich meistens sogar eine stichpunktartige Vita. Das fällt mir mal leichter, mal schwerer — manche Figuren sind sofort da, während ich andere kleinteilig erarbeiten muss. Beim Schreiben ändert sich dann noch mal viel, weil ich merke, dass die eine oder andere Überlegung nicht so gut passt, wie ich dachte. Wenn ich die erste Fassung des Romans überarbeite, kann es außerdem sein, dass ich mir einzelne Figuren noch einmal genau anschaue und prüfe, wie sie im Gesamtbild wirken. Wenn ich da Unstimmigkeiten feststelle, betone ich bestimmte Charakterzüge und verringere andere oder entferne sie ganz.

Am wichtigsten ist mir dabei, dass eine emotionale Bindung zur Figur entsteht — dass der Leser die Protagonisten sympathisch findet, Anteil an ihrem Schicksal nimmt und ihnen bereitwillig durch ihre Geschichte folgt. Denn wenn das nicht klappt, wird er das Buch weglegen. Sehe ich ja an meinem eigenen Leseverhalten: eine unsympathische, uninteressante Hauptfigur — und ein Roman ist für mich gestorben.

O: Sympathische Figuren sind in der Tat sehr wichtig. Ich denke aber, dass die meisten Leser mit einer „Unschuldsvermutung“ an Figuren herangehen, das heißt, sie versuchen erst mal, sich mit ihnen zu identifizieren, solange die sich nicht als Unsympathen herausstellen. Ich gehe optimistisch davon aus, dass meine Charaktere alle bis zu einem gewissen Grad eher sympathisch sind. Zumindest hatte ich immer große Schwierigkeiten, wirklich „böse“ Charaktere zu zeichnen, ob im Rollenspiel oder anderswo — von daher wäre es ziemlich schlecht, wenn mir beides nicht gelänge …

Am schwierigsten fand ich beim „Licht …“, dass meine Charaktere erstmals fast allesamt Mörder sind. Ich meine, der Roman spielt in einer Fantasywelt — da kämpfen die Leute mit Schwertern und die Gegner fallen um. In Filmen nimmt man das relativ gelassen, aber im geschriebenen Text fand ich das erst gewöhnungsbedürftig, vor allem, weil meine Figuren sonst dazu tendieren, relativ „modern“ zu denken. Auch hier ist der beste Vergleich wohl der zu einem Roadmovie. Komischerweise gewöhnt man sich mit der Zeit daran.

Es gibt natürlich Tricks und Kniffe, Sympathie zu steuern: wieviel Unrecht einem Charakter widerfährt, sein Verhalten gegenüber Nebenfiguren, oder — ganz perfid — Tieren. Und man sucht immer nach Möglichkeiten, Figuren in möglichst intimen Momenten zu zeigen, in denen sie eine neue Seite von sich enthüllen. Aber ich bin immer sehr froh, wenn mir eine Szene gelingt, nach der ich sagen kann: Das ist der Charakter, so und nicht anders.´Schaffst du das denn bewusst zu steuern?

C: Ich versuche es. Manchmal gelingt das instinktiv auf Anhieb, manchmal ist es aber auch ein langwieriger Prozess, bei dem ich viel ausprobieren und umschreiben muss, bis ich das Gefühl habe: Jetzt stimmt es. Dabei greife ich zu ähnlichen Mitteln wie du. Auch wenn sich das jetzt etwas sadistisch anhört: Ich glaube, es ist wichtig, seinen Hauptfiguren möglichst viel Schlimmes anzutun. Denn nur so entsteht dramatischer Konflikt, und nur so kann der Leser mit den Figuren mitleiden. Und natürlich ist Humor immer noch der beste Trick, das Herz des Lesers zu erobern. Wenn man es schafft, die Leute zum Lachen zu bringen, hat man schon gewonnen. Leider ist Humor extrem schwer …

Fortsetzung nächste Woche: Über Ebooks, Piraten und den ganzen Rest.

Enter the Mariachis

Eine der Glaubenfragen unter Bücherschreibern ist, ob man zum Schreiben Musik hört oder nicht. Ich habe das fast immer getan. „Fairwater“ verdankt einen Großteil seiner eigenartigen Stimmung Angelo Badalamenti, nicht David Lynch — ich kannte den Soundrack zu Twin Peaks, aber die Serie noch nicht.

Wer den Roman kennt, weiß auch, dass ich ein Liebhaber der frühen Siebziger und Bands wie Yes oder Genesis oder King Crimson bin. Bei den „Magiern“ und dem „Kristallpalast“ dagegen haben mich vor allem Soundtracks und Jazz über Wasser gehalten.

Die CDs (ja, ich höre noch CDs), die ich beim Schreiben des „Lichts hinter den Wolken“ vor allem hörte, waren eine eklektische Mischung aus Soundtracks und Klassik (erwähnenswert Rimsky-Korsakovs Scheherazade, ohne die das Finale des VI. Teils nicht funktioniert hätte), skandinavischem Retroprog (vor allem Sinkadus und Wobbler habe ich hier einiges zu verdanken), viel Joanna Newsom und einer guten Prise Calexico für die Westernkapitel. Man merkt es: Ich versuche die Stimmungen zu unterstützen, die ich beim Schreiben brauche. Ich mag verspielte Sachen. Und es darf gerne Pathos haben. Ohne ein wenig Pathos glaube ich beim Schreiben nicht so richtig, dass es großen Sinn hat, was ich tue.

Daher zur Feier der Romanabgabe (824 Seiten sind es geworden) Calexico mit einem meiner Lieblingssongs in einer großartigen Liveversion mit Mariachiband und Françoiz Breut (von deren zweitem Album das Lied ursprünglich auch stammt). Dieses Lied (den Text gibt es hier) hat für mich einen direkten Bezug zum Roman … eigentlich sogar nicht nur einen.

Nächste Woche beginnt hier ein neues Gastgespräch — diesmal mit Christoph Lode.

Peinlichkeitscheck

Zu den letzten Handgriffen vor Abgabe gehört auch, seine „Fantasynamen“ nochmal gegenzugoogeln.

Meine Namensgebung war nie so konsequent durchdacht wie Tolkiens; auch bin ich von Kindheit auf in meinen Fantasiewelten sehr angelsächsisch geprägt gewesen, von daher haben viele meiner Namen einen englischen Klang („April“ und „Janner“ sind wohl das beste Beispiel).

Ich habe mich beim „Licht …“ aber um eine halbwegs sinnvolle Verteilung bemüht: Die meisten Namen im alten Imperium sind griechisch-römisch und haben sich in den Provinzen Richtung eines moderneren Italienisch bewegt. Die Heimatsprachen der Provinzen changieren dagegen zwischen romanischen, germanischen und keltischen Einflüssen.

Bei so einem „mixed bag“ bietet es sich an, kurz vor knapp noch einmal zu schauen, ob nicht einer dieser Namen einen ungewollten Beigeschmack hat; schließlich möchte man nicht, dass der beste Freund des Helden nach einer sexuellen Praktik oder einem Kriegsverbrechen klingt.

Bisher scheine ich Glück zu haben: Viele meiner Ortsnamen existieren als reale Nachnamen; überraschenderweise waren auch zwei Pferdenamen darunter; gelegentlich landet man bei WoW oder Ähnlichem; es hat sich aber bislang nichts Peinliches ergeben. Natürlich ist „Gull“ Englisch für Möwe, „Glaive“ kommt aus dem Französischen und bezeichnet je nach Sprache verschiedene Klingenwaffen, und „Conpeccio“ heißt auf Italienisch offenbar „mit Fichte“ — aber damit kann ich leben.

Da Bilder mehr sagen als alle Sprachen dieser Welt, anbei noch ein Stillleben der aktuellen Situation. Die ungespülten Kaffeetassen dürft ihr euch dazudenken:

Nächste Woche zu dieser Zeit habe ich abgegeben.

Lieblingssätze

Es gibt den schönen Satz, dass ein Buch nie fertiggestellt wird, bloß aufgegeben. Während der Ursprung dieses Ausspruchs ziemlich schwer zu belegen ist (sinngemäß etwas in der Art haben wohl Paul Valéry, E. M. Forster aber auch Leonardo da Vinci schon gesagt) ist mir sein Wahrheitsgehalt in der letzten, vielleicht vorletzten Woche vor Abgabe doch sehr offensichtlich.

Ich habe in einem meiner früheren Posts ja gesagt, dass die Fassungen, die ich abgebe, immer zig mal überarbeitet sind. Momentan ist der Stand der Dinge, dass ich mich in einer Art Vorlektorat befinde; ich habe die letzten Wochen zwei Ausdrucke des Romans abgearbeitet, einmal mit eigenen Korrekturen, einmal mit denen meines Lektors, und nehme jetzt noch letzte Umbauarbeiten vor. Zum Feinschliff gehört für mich auch das Herausarbeiten von Leitmotiven; oder dafür zu sorgen, dass bestimmte „Regeln“ konsequent im Roman Anwendung finden (zum Beispiel redet Sarik mit dem Irrlicht ohne Anführungszeichen, das Schwert Schneeklinge ist eine „sie“, kein „es“, usw.)

Nach der Abgabe wird das eigentliche Lektorat beginnen. Irgendwann wahrscheinlich im Oktober werde ich also noch einmal die von meinem Lektor korrigierte Version abarbeiten, dann gebe ich abermals ab. Etwa im Januar werden mich wahrscheinlich die Druckfahnen erreichen, wo ich ein letztes Mal Gelegenheit für kosmetische Korrekturen haben werde. Erst dann ist das Buch – zumindest inhaltlich – tatsächlich „fertig“ … oder eben aufgegeben, je nachdem, wie man das sieht. Zur Leipziger Buchmesse ist es dann hoffentlich schon erschienen.

Bis dahin anbei (in aufsteigender Reihenfolge) ein paar meiner Lieblingssätze, die mir bei der Durchsicht wiederholt ins Auge fielen. Ich mag es, unterschiedliche Register zu bedienen, und hoffe, dass auch die Leser die Wortwahl im jeweiligen Kontext als der Situation angemessen empfinden werden:

3.) In der Alten Zeit, als die Eolyn ihre Türme aus Alabaster und Elfenbein gen Himmel bauten, und noch Friede zwischen allen Völkern im Reich bestand, da lebte in Pherenaïs ein Mann namens Iladas, der Handel mit den Kindern des Sommerlands trieb, die im Norden der Insel eine Stadt und einen Hafen besaßen.

2.) Ich erzählte ihm von der Verkettung unglücklicher Umstände, die mich schließlich erst in die Arme der weiten See und dann die der schönen Jasmin getrieben hatte, die ungleich grausamer war als die See, obgleich sie doch so viel süßer duftete, doch da unterbrach er mich wieder und schüttelte den Kopf.

1.) „Dein Sohn war ein Arschloch“, sagte er schließlich, in der Hoffnung, so schneller einen Konsens herbeizuführen. „Er hat gekriegt, was er verdient hat, und ich würde es wieder tun. Ich scheiße auf sein Grab und das seiner Mutter.“

In diesem Sinne: eine frohe Woche!

Peter S. Beagle

Das Manuskript macht Fortschritte. Ich sitze von morgens bis abends am Schreibtisch, korrigiere, übersetze, aber mein Zeitplan ist hart. Wenig überraschend, ergreife ich gern die Gelegenheit für Pausen — und was für einen besseren Grund dafür gäbe es, als den Autor zu treffen, der mich in meiner Jugend mehr als alle anderen geprägt hat?

Die Rede ist von Peter S. Beagle, am besten bekannt für „Das letzte Einhorn“. Sein eigener Favorit ist „Es kamen drei Damen im Abendrot“ (The Innkeeper’s Song); mir persönlich hat auch „Das Volk der Lüfte“ (The Folk of the Air) immer sehr viel bedeutet. (Eine gute Bibliographie gibt es hier.) Ich habe Peter vor zehn Jahren kennengelernt, als er mich zum PEN-Kongress in Slowenien einlud. Vorausgegangen war eine längere Korrespondenz, die ihren Anfang mit dem „Princess’s Song“ nahm. Ich hatte dieses Lied nach einem Gedicht aus dem „Einhorn“ geschrieben; die Instrumentalversion kann man sich auf meiner Musikseite anhören (die gesungene Version wird bald nachgereicht). 2007 trafen wir uns ein zweites Mal, diesmal in Oakland.

Letzte Woche war Peter in Magdeburg zu Besuch, als Ehrengast der Eurofurence (Bilder davon gibt es hier). Da sein Aufenthalt in Deutschland leider knapp bemessen war, bin ich kurzerhand hingefahren. Dieser Ausflug hat mich nicht nur von einer Reihe von Vorurteilen gegen die Furry-Szene im Allgemeinen kuriert; es war großartig, sich nach so langer Zeit wieder mit ihm unterhalten zu können.

Peter ist einer der großen Erzähler unserer Zeit, und hat die Fantasy des späten zwanzigsten Jahrhunderts bereichert wie kaum ein anderer (ich würde an dieser Stelle nur noch Matt Ruff und Neil Gaiman nennen). Er hat das Vermächtnis von Autoren wie Dunsany, Cabell, White oder Thurber lebendig gehalten, verfügt über einen unnachahmlichen Humor und ist ein Meister der Charakterzeichnung. Seine Figuren sind nie ohne Fehler, aber er behandelt sie nie ohne Respekt. Selbst seine Bösewichte wecken Sympathie. Ich möchte Peter nicht imitieren, aber sein Einfluss ist mir bewusst: Die „Magier von Montparnasse“ verdanken dem Innkeeper’s Song ihre Erzählweise, und Alphonse leiht sich nicht selten Karschs Stimme, wenn er Justine zusammenstaucht.

Peters Lebensgeschichte nimmt sich wie das Who is who der amerikanischen Künstlerszene aus. Seine erste Agentin entdeckte John Steinbeck, schon in jungen Jahren lernte er Leute wie Arthur Miller und Marilyn Monroe kennen. Er belegte Creative Writing in Stanford gemeinsam mit Autoren wie Larry McMurtry (Drehbuch zu „Brokeback Mountain“) und Ken Kesey („Einer flog über das Kuckucksnest“). Mit Christopher Lee und René Auberjonois verbinden ihn langjährige Freundschaften. Mir fällt dabei immer auf, wie uneins die deutsche Kulturlandschaft im Vergleich dazu doch ist; und wie undurchlässig die Genregrenzen hierzulande gleichzeitig scheinen.

In jedem Fall ist Peter einer der wenigen Menschen, die ich kenne, die es geschafft haben, ihr Leben ganz in den Dienst der einen Sache zu stellen, die sie besser können als alles andere, und besser als die meisten von uns. Und dann hat man ihn noch lange nicht singen gehört (PS: Dies ist das Lied von George Brassens, auf dem das Gedicht basiert, das ich für „Die Einhörner“ übersetzt habe. Es lohnt sich, auch nach Peters Filk-Songs Ausschau zu halten).

Über, zwischen, hinter, auf

Ereignisreiche Wochen liegen hinter mir. Ich war in Portugal und Malta und habe mich an verschiedenen unwahrscheinlichen Betätigungen am, im und unter Wasser versucht; nun sind es wieder Licht und Wolken, die mich in ihrem Bann halten.

Aufmerksame haben es vielleicht bemerkt: Ich habe den Titel dieses Blogs mal dezent geändert. Das ist noch nicht endgültig … scheint aber momentan sehr wahrscheinlich.

Zwischen den Urlauben war ich in Stuttgart bei Klett-Cotta und habe mich ein letztes Mal mit meinem Lektor besprochen. So was sieht, im ehrwürdigem Ambiente der Hobbitpresse, ungefähr so aus wie auf dem Schnappschuss links. Ich bin vor solchen Treffen immer sehr aufgeregt … und stehe danach meistens völlig neben mir. Alle Sorgen, die ich mir als Autor hauptberuflich nun mal mache, hatten sich danach aber zerstreut: Natürlich lautet die offizielle Sprachregelung vor einem Buch immer „Wir machen zusammen was ganz, ganz Tolles.“ Ich habe dieses Gefühl jetzt aber wirklich. Vor drei Tagen haben mich die ersten Coverentwürfe erreicht (die ich leider momentan noch nicht zeigen kann) und gehe gerade selbst auf Wolken.

Drei Wochen harte Arbeit noch, um die letzten Kleinigkeiten zu ändern (an dieser Stelle nochmal tausend Dank an alle Testleser für ihre hilfreichen Anmerkungen), dann gebe ich das Manuskript ab.

Faune Sommerspecial 4

Nun … ich weiß auch nicht, ob dieser Faun einen Beruf hat. Auch hier habe ich es mit Lappen & Co. ein wenig zu gut gemeint, und das mit den Zähnen habe ich schon erwähnt. Aber seine Lebenseinstellung ist nach wie vor nur beispielhaft zu nennen.

„Redest du mit mir? Du laberst mich an …?“

Ich hoffe, ihr hattet auch einen schönen Sommer. Nächste Woche geht es weiter mit ernsthaften Dingen!

Faune Sommerspecial 3

Tänzerin. Die Proportionen hauen nicht ganz hin, und die Arme ist insgesamt etwas spitz geraten; aber das Hauptziel war, ein hübsches Mädchen mit kahlem Kopf und Stacheln im Gesicht zu zeichnen, und das hat (zumindest im Vergleich mit ihren Artgenossen) halbwegs funktioniert. Auch weibliche Fealva stelle ich mir heute etwas menschlicher vor (damals hatten Faune auch noch spitze Zähne), aber Janners Jugendschwarm Jasmin könnte durchaus in diese Richtung gehen.

„Sie hieß Jasmin, war eine Angestellte und die erste freie Fealva, die ich kennenlernte. Leider benutzte sie ihre Freiheit vor allem dazu, andere in ihren Bann zu ziehen, und ich bildete da keine Ausnahme. Sie hatte überall diese kleinen Silberkettchen, und Augen wie ein Kätzchen, wenn sie etwas von einem wollte. Sie benutzte ein Parfum, das zu ihrem Namen passte und … ich denke, wir müssen das nicht weiter vertiefen.“

Faune Sommerspecial 2

Söldner. Ein besonders zerzauselter Faun mit ein wenig mehr Muskeln; das Testosteron scheint sogar für Brusthaar und Ziegenbärtchen gereicht zu haben. Heute sehe ich Kahlköpfigkeit bei Fealva wie gesagt eher optional — und die Kämme an Schultern und Brauen sind hier wirklich zuviel des Guten.

Was ich an den Faunen im Zweiringeland sehr schätzte, war, dass sie die vertrocknete Soziologie von Elfen, Zwergen und Orks etwas aufbrachen (Faune sind ein Alptraum für elfische Schöngeister wie für konservative Zwerge. Mit den meisten Orks kommen sie dabei noch ganz gut klar.) Mit den Satyren der Antike teilen sie ihre positive Einstellung zu fleischlichen Freuden und dem Leben allgemein. Das heißt aber nicht, dass sie einfach nur Quatschmacher wären; man wird nicht als Querdenker oder Lebenskünstler geboren. Es gehört auch eine gewisse Weisheit und ein großes Maß an Selbstbeherrschung dazu, das Leben mit den Augen eines Fauns zu sehen. An Bord von DS9 könnte ich mir Quark genauso gut als Faun vorstellen wie General Martok oder Schneider Garak. Frank Zappa wäre sicherlich ein interessanter Faun gewesen. Sean Connery sowieso. Und das waren nur die Männer!

Faune Sommerspecial 1

Barde. Kein besonders hübscher Faun, aber in seinen Hobbys — die er mit Janner teilt — durchaus exemplarisch. Anscheinend habe ich damals schon eine unbewusste Verbindung zwischen Flöten und Schwertern gezogen …

Faune waren die wohl prominenteste „Eigenkreation“ meiner Rollenspielwelt und stellten im Zweiringeland nach den Menschen die größte Bevölkerungsgruppe. Ich wollte ein Volk haben, das den Menschen den Spiegel vorhält (Linkshänder, Schwerenöter, Anarchisten — egal was die Menschen machten, Faune taten es andersrum, und besser).

Faune haben herbstlaubfarbene Haut (also rötlich bis orangerot oder braun mit Stichen ins auberginefarbene) und prominente Kämme an Schultern, Ohren, Brauen und Stirn. Ursprünglich hatte ich sie als von Natur aus kahl definiert. Heute gehe ich davon aus, dass die meisten sich bloß den Schädel rasieren oder eine hohe Stirn haben (in etwa so wie Cardassianer vielleicht). Ihre Namen haben immer eine Bedeutung, und sind meistens der Natur entlehnt: Oleander, Rose, Neuntöter, Silberstein. (Janner heißt Janner, weil er im Jänner geboren ist. Für die Linguisten unter meinen Lesern sei gesagt: Das /æ/ und das als Zischlaut gesprochene <j> sind der Dialekt der Provinzen).