Gastgespräch mit SIMONE DALBERT, Teil 2

by Tausenddorn

Oliver: Willkommen zurück! Letzte Woche haben wir uns ja schon über das Schreiben und Verkaufen von Büchern unterhalten. Reden wir mal darüber, was Bücher erwartet, nachdem sie über den Ladentisch gewandert sind: Du betreibst nämlich auf www.papiergefluester.com auch einen gut gefüllten Rezensionsblog. Deine letzte Jahresstatistik weist 126 gelesene Bücher aus …

Simone: Bücher sind meine Leidenschaft, ich lese und verkaufe sie nicht nur, ich könnte auch noch ständig darüber reden. Da das für meine Umwelt auf Dauer anstrengend wird, mache ich es schriftlich. Auf Papiergefluester finden sich aber nicht nur Rezensionen und Lesungsberichte, ab und an plaudere ich auch aus dem Nähkästchen. In der Buchhandlung passieren immer wieder Dinge, die dann auch im Blog landen.

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O: Macht Dir das Bloggen in Zeiten von John Asht und Abmahnanwälten denn noch Spaß? Oder überlegt man sich alles zweimal, was man schreibt?

S: Um ehrlich zu sein, ist mir der Spaß im letzten Jahr mehrmals fast vergangen. Zum Glück war ich schon immer vorsichtig was Zitate und Bilder angeht, andere mussten ihr ganzes Blog durcharbeiten und teilweise löschen. Nachdem ich schon ein paar Jahre blogge, wäre das kein Spaß gewesen. Trotzdem hat man manchmal das Gefühl, dass immer jemand auf der Lauer liegt und nur darauf wartet, dass man einen Fehltritt tut. Selbst wenn man die Bücher, die man rezensiert, selbst fotografiert, ist man nicht zu hundert Prozent sicher. Ganz ohne Fotos wird das Blog aber schnell zur Textwüste. Da überlegt man sich ab und an schon, warum man das Risiko überhaupt noch auf sich nimmt. Ob man nicht einfach alles löschen sollte. Aber noch macht mir das Bloggen zu viel Spaß, ich habe über Papiergeflüster so viele tolle Menschen kennen gelernt, das möchte ich nicht aufgeben.

O: Wie sind denn Deine Gedanken zum E-Book-Markt? Ich habe mir ja selbst gerade meinen ersten E-Reader gekauft — und angeregt durch Deinen kritischen Beitrag zu Amazon bewusst keinen Kindle, sondern einen PocketBook Touch.

S: Vielen Dank! Dann hat der Artikel ja seinen Zweck erfüllt. Mit dem PocketBook Touch hast Du Dir auch einen richtig guten Reader ausgesucht. Ich lese auf dem Kobo Glo, weil die Beleuchtung schon sehr praktisch ist und hier nicht stört, wie an einem Tablet. Als Leserin mag ich E-Books sehr gerne. Ich würde nie nur noch elektronisch lesen, es gibt immer Bücher, die man anfassen, jede Seite genießen und anschließend ins Regal stellen möchte. Gerade wenn sie eine besondere Ausstattung mitbringen, wie Illustrationen oder auch ein schön gestaltetes Cover. Andere Bücher möchte ich aber einfach nur einmal lesen. Bei der Menge an Büchern die ich lese, kann ich nicht alle aufheben. Das Regalproblem entfällt bei E-Books. Bei so manchem Buch war ich auch schon froh, den kleinen Reader in der Hand zu halten, statt dem dicken Schinken. Die Einstellbarkeit der Schriftgröße ist für halbe Maulwürfe wie mich auch sehr praktisch, aber auch mit Sehhilfe kann ich so einfach schneller lesen.

Als Buchhändlerin sind E-Books etwas schwieriger. Natürlich bieten wir sie dem Kunden auch an, sowohl auf der Homepage als auch direkt im Laden. Aber das müssen wir den Kunden erst einmal bewusst machen. Viele verbinden ihre Buchhandlung nicht mit dem Internet und E-Books. Da kann man noch so viele Hinweise aufstellen und die Kunden bei jeder Gelegenheit darauf ansprechen. Dank des harten DRM haben viele Kunden auch erst einmal Probleme mit den E-Book-Readern. Die wir bisher immer lösen konnten, aber viele trauen sich wahrscheinlich gar nicht, in ihrer Buchhandlung deswegen nachzufragen. Für uns ist es auch ein ganz neues Feld, in das wir uns erst einmal einarbeiten müssen.

O: Du sitzt auch in der diesjährigen Jury der Phantastischen Akademie, die auf der Leipziger Buchmesse wieder den SERAPH vergibt. Ich finde es super, dass die Jury immer neu besetzt wird und dieses Mal auch deutlich bunter geworden ist. Wahrscheinlich darfst Du keine Favoriten nennen, aber macht die Auslese Spaß?

S: Sehr viel Spaß sogar, die Phantastische Akademie hat ja die erste Auswahl getroffen, wir müssen uns jetzt nur noch durch die Longlist arbeiten. Schon beim zweiten Buch hätte ich die Nacht durchlesen können. Weder den Verlag noch den Autor kannte ich vorher, das ist das tolle an der Jury-Arbeit. Man entdeckt Neues, das einem sonst oft entgeht. Weil man eigentlich mit den Autoren, die man kennt und gerne liest, locker das Jahr füllen könnte.

O: Wie schafft man es neben dem Bücherverkaufen und Bücherrezensieren dann auch noch, Bücher zum Vergnügen zu lesen — oder, wie geschehen, weil verunsicherte Fantasyautoren Dich um Feedback bitten?

S: Das Bücherrezensieren gehört bei mir zum Vergnügen. Rezensiert wird nur, was ich zum Vergnügen gelesen habe. Da ich nur für mein Blog und nicht für eine Zeitschrift schreibe, bin ich frei in der Auswahl meiner Lektüre. Ich lese nur, was ich wirklich lesen möchte. Es ist ein Hobby und soll das Lesen ergänzen, mir nicht den Spaß daran verderben. Deshalb wird auch schon lange nicht mehr alles rezensiert, was gelesen wurde, wie es früher der Fall war. Der Druck wurde zu groß, das Schreiben wurde zur Arbeit. Das sollte ein Hobby nie sein. Was ich für die Arbeit lesen muss, wird oft nur quergelesen. Damit bleibt auch noch genug Zeit für all das Drumherum, das die Bloggerei mit sich brachte.

O: Als jemand, dem genau das mit dem Hobby passiert ist, weiß ich gut, was Du meinst. Es sollte nie alles ausfüllen, sonst bleibt einem ja gar nichts mehr.

O: Du sagst „verunsicherter Fantasyautor“. Im Gespräch mit Diana Menschig hast Du ja schon erläutert, dass Du verunsichert warst, weil Du Dich mit „Das Licht hinter den Wolken“ als klassischer Fantasyroman auf ganz neues Gebiet gewagt hattest. Als Du mir vor zwei Jahren in Leipzig auf der Buchmesse von Deinem neuen Projekt erzähltest, meintest Du, es sei schwieriger, einen klassischen Fantasyroman zu schreiben. Für mich als Nicht-Autorin schien es eher einfacher, in einer Welt mit weniger festen Regeln zu schreiben. Was machte die Arbeit schwieriger als in Deinen bisherigen Romanen?

O: Mein Eindruck war, dass die Recherche, die für Bücher wie die „Magier“ oder den „Kristallpalast“ notwendig war, ähnlich viel Arbeit machte, wie fürs „Licht …“ einen Kontinent und eine Geschichte zu entwerfen, Namen und Orte zu erfinden usw. Die Verunsicherung rührte aber eher von der Gratwanderung, die ich versuchte: „klassisch“, aber doch „eigen“ zu sein. Ich wusste ehrlich nicht, ob das, was ich für „Fantasy“ halte und gut finde, auch andere Leute anspricht oder überhaupt funktioniert.

S: Es funktioniert, aber das hast Du ja jetzt auch gemerkt. Im Nachhinein, was macht Dir mehr Spaß: die Recherche einer vergangenen Epoche oder eine Welt ganz neu zu erfinden?

O: Das erste ist trotz der Arbeit etwas leichter, das zweite aber befriedigender. Dafür kann man es nicht beliebig oft wiederholen — ich kann mir nicht ständig eine komplett neue Welt ausdenken. Am angenehmsten ist es mir glaube ich, ein gut erschlossenes und ausbalanciertes Spielfeld zu haben, auf dem ich mich dann bewegen und die verschiedenen Winkel erkunden kann.

S: Es gibt einige klassische fantastische Elemente in „Das Licht hinter den Wolken“, aber mit den historischen Elementen aus dem römischen Reich und einigen Western-Elementen ist es doch kein ganz klassischer Fantasy-Roman geworden. Spielst Du gerne mit den Genre-Grenzen?

O: Das ist genau der Punkt, ich mache das tatsächlich gerne. Genauso, wie ich Musik interessant finde, die verschiedene Einflüsse zusammenbringt. Man läuft aber damit manchmal Gefahr, zu selbstreferentiell zu werden, quasi alles mit einem Augenzwinkern zu erzählen. Und gerade „typischen“ Fantasylesern sagt man nach, dass sie zwar immer was Neues wollen, das Neue aber irgendwie doch so wie das Alte sein soll. Keine Ahnung, ob das stimmt — ich werde es bald merken.

S: Keine Ahnung ob ich eine „typische“ Fantasyleserin bin, aber so ganz kann ich diese Behauptung nicht leugnen.

O: Geht mir selbst ja wahrscheinlich ähnlich …

S: Jedenfalls bekam ich beim Testlesen Deines Romans interessante Einblicke in die Welt eines Autors. Als Leser ist einem oft nicht bewusst, wie viel Arbeit in einer Geschichte steckt. Dafür danke ich Dir sehr, ich sehe Bücher jetzt aus einem ganz neuen Blickwinkel.

O: Danke für die Einblicke in Deine Welt! Wie gesagt, manchmal würde ich mich selbst gerne wieder mehr mit Büchern befassen, die ich nicht erst noch schreiben muss …

S: Dann würde uns Lesern aber etwas fehlen. Ich wünsche Dir, ganz egoistisch, weiterhin viele spannende Buchprojekte.

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Gewinnspiel Woche 3: Der heutige Buchstabe ist der vierte Buchstabe des Lösungsworts.

Hier findet ihr ihn: Im Gastgespräch mit Diana Menschig. Der gesuchte Buchstabe ist der mittlere Vokal des Eigennamens, bei dem sich drei ihrer Leser (und leider auch ich) an ein unter Vegetariern beliebtes Nahrungsmittel erinnert fühlten. (Ja, die Hinweise werden schwerer!)