Gastgespräch mit CHRISTOPH LODE, Teil 2

by Tausenddorn

Letzte Woche begann an dieser Stelle ein Gespräch mit meinem Kollegen Christoph Lode. Heute folgt der zweite Teil.

Oliver: Voraussichtlich nächsten Monat wirst du deine Kurzgeschichtensammlung mit dem Arbeitstitel „Schattentänzer“ als Ebook veröffentlichen. Da ich selbst ein großer Fan von Kurzgeschichten und dem DIY-Ansatz beim Publizieren bin, macht mich das neugierig … wahrscheinlich versuche ich nächstes Jahr etwas Ähnliches. Wie kam es bei dir dazu?

Christoph: Ich habe seit vielen Jahren eine Kurzgeschichte und eine Erzählung in der Schublade (die in Wirklichkeit eine Festplatte ist), die ich unbedingt unters Volk bringen möchte. Leider wusste ich lange Zeit nicht, wie — in Deutschland ist es sehr schwer, Prosa zu veröffentlichen, die kein Roman ist. Hier bietet das E-Book natürlich tolle Möglichkeiten. Ich schrieb eine zweite Kurzgeschichte, die inhaltlich mit der ersten Story zusammenhängt, ließ die Texte lektorieren und brachte sie mit Kindle Direct Publishing bei Amazon heraus: So entstand „Schattentänzer“.

Ich bin sehr gespannt, wie das E-Book aufgenommen wird. In den Kurzgeschichten führe ich einen klassischen Sword&Sorcery-Charakter ein, den ich gerne ausbauen würde. Wenn „Schattentänzer“ gut ankommt, schreibe ich vielleicht weitere Geschichten über diese Figur. Außerdem überlege ich, das Ganze shared-universe-mäßig aufzuziehen, also weitere Autoren an dem Konzept zu beteiligen.

O: Die Idee ist reizvoll (und wir brauchen jetzt auch nicht so zu tun, als hätten wir nicht schon darüber geredet …) Ich muss gestehen, noch habe ich keinen Ebook-Reader, und Kindle für PC ist hierzulande leider ein Witz. Laut Amazon verhindert unser Urheberrecht beispielsweise die Implementierung einer copy&paste-Funktion. Ich wüsste wirklich gerne, was die rechtlichen Hindernisse für so etwas sind, und welche Neuerungen, beispielsweise der virtuelle Buchverleih oder ein brauchbares VoD-Angebot, hierzulande von Verlagen oder Verwertungsgesellschaften blockiert werden.

C: Ich bin kein Jurist und kenne das Urheberrecht leider nicht gut genug, um einschätzen zu können, ob Neuerungen in der Unterhaltungsindustrie rechtlich nicht umsetzbar sind oder ob sie von Branchengrößen bewusst blockiert werden. Vermutlich liegt die Wahrheit wie so oft irgendwo dazwischen. Natürlich nehmen Medienkonzerne Einfluss auf die Gesetzgebung — das sieht man ja gerade bei dem unsäglichen Leistungsschutzrecht. Trotzdem ist die Wirklichkeit nicht so schwarz-weiß, wie die Urheberrechtsgegner, aber auch die -hardliner, sie gerne darstellen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein starkes Urheberrecht notwendig ist und eine Wissensgesellschaft ohne nicht funktioniert. Aber wenn ich bei der jüngsten Debatte um das Urheberrecht eins gelernt habe, dann, dass es sich lohnt, auch die Argumente der (vermeintlichen) Gegenseite — in unserem Fall wohl die Piratenpartei — anzuhören. Vieles, was die Piraten wollen, ist so dumm nicht und könnte helfen, Druck aus dem Kessel zu nehmen und das Urheberrecht ins digitale Zeitalter zu führen.

Bleibt halt das leidige Thema Filesharing. Filesharing großflächig zu legalisieren, wie die Piraten es immer noch fordern, wäre für viele Urheber und Verwerter sicher hochproblematisch. Und einen goldenen Mittelweg zwischen Verbot und Legalisierung scheint es hier nicht zu geben. Aber vermutlich wird sich das Problem in den nächsten Jahren von selbst lösen, wenn sich immer mehr legale, bequeme und bezahlbare Vertriebswege für digitale Inhalte durchsetzen.

O: Das wäre sich der beste Weg. Und es hat sich ja schon einiges getan in punkto Kundenfreundlichkeit — siehe Amazon mit ihren mp3s oder Tor Books mit ihren DRM-freien Büchern. Gerade wir sind da doch in einem, sagen wir mal dialektischen (oder trialektischen?) Prozess gefangen: Als Leser oder Dozent würde ich gerne Texte kopieren; als Autor würde ich gerne Bücher verkaufen; als Bürger würde ich gerne vom Staat nicht überwacht werden. Wer das hinkriegt, gewinnt das Internet.

Die digitale Welt bereitet mir aber keine schlaflosen Nächte; eher schon, wie die Diskussion darüber manchmal geführt wird. Ich halte die Piratenpartei jedenfalls für eine bereichernde Kraft im politischen Spektrum, und fühle mich auch nicht von irgendwem bedroht. Vielleicht werden wir uns irgendwann auch wirklich von der Idee verabschieden, Bücher, CDs oder Filme als physische Artefakte zu handeln und stattdessen nur noch unsere Downloads zählen.

Momentan vertraue ich aber noch auf den Mehrwert des gedruckten Buchs mit Cover, Bildern usw. Und die Verkaufszahlen von Ebooks hierzulande scheinen mir recht zu geben, obgleich wohl auch aufgrund der erwähnten Probleme und der oft wenig attraktiven Preisgestaltung der Verlage. Meinst du denn, Ebooks erreichen bei uns in absehbarer Zeit vergleichbare Zahlen wie in den USA?

C: Sicher nicht in den nächsten ein bis zwei Jahren. Aber wer weiß, wie es in fünf aussieht? Ich kann mir schon vorstellen, dass das Ebook in näherer Zukunft einen Marktanteil von 30-40% haben wird. Überhaupt finde ich es sehr spannend zu beobachten, wie sich der Buchmarkt in den nächsten Jahren entwickeln wird. Ich denke, da kommen noch einige Umwälzungen auf uns zu. Was sind deine Prognosen?

O: Es lässt sich jedenfalls beobachten, dass Ebookreader auch ein neues Publikum erschließen, oder Lesen in Umständen erlauben, in denen Bücher eher unpraktisch sind. Und solche Innovationen gehen naturgemäß auch gut mit Inhalten einher, die technikaffine Leser ansprechen. Von daher denke ich, dass gerade in den Bereichen Science Fiction und Fantasy sich schneller etwas tut als in anderen Genres.

C: Davon gehe ich auch aus. Ich sehe das ganz deutlich an meinen Ebook-Verkaufszahlen: Von meinen Fantasybüchern habe ich wesentlich mehr Ebooks verkauft als von den historischen Romanen. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht. Der Untergang des Abendlandes ist das Ebook jedenfalls nicht, und auch das Ende des Lesens sehe ich nirgendwo heraufdämmern. Verlage und Schriftsteller wird es weiterhin geben. Kritisch wird es allenfalls für den klassischen stationären Buchhandel: Ich vermute, hier wird es die größten Umwälzungen geben. Aber wie genau die aussehen, da wage ich mal lieber keine Prognosen. Technikfolgen lassen sich nur schwer abschätzen. Ich meine, wo sind die fliegenden Autos, die man uns in den 50ern für die Jahrtausendwende versprochen hat?

O: Warten wir auf die nicht alle …?