Gastgespräch mit SIMONE DALBERT, Teil 1

by Tausenddorn

Simone Dalbert, geboren 1977, wuchs im Saarland auf und studierte dort Biologie. Inzwischen lebt sie in Würzburg, wo sie eine Ausbildung zur Buchhändlerin absolvierte und noch immer in diesem Beruf arbeitet. Auf ihrem Blog Papiergeflüster lässt sie ihrer Leidenschaft freien Lauf und schreibt über Bücher und das Leben als Buchhändlerin. Kurzfassen muss sie sich in ihren Twitteraccounts @buchgefluester über das Lesen und @buchgeschichten, wo sie über Szenen eines Buchhändlerlebens in 140 Zeichen schreibt.

Oliver: Hallo Simone, freut mich, dass Du Dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast – ich kann mir denken, dass Du momentan sehr beschäftigt bist.

Simone: Hallo Oliver, ich danke für die Einladung! Nachdem Weihnachten, im Buchhandel immer eine trubelige Zeit, nun überstanden ist, habe ich auch wieder genug Ruhe, um mich um all die anderen Dinge zu kümmern. Wie dieses Gespräch, den Austausch mit Autoren finde ich immer wieder spannend.

O: Ich war Dir sehr dankbar, dass Du Dir im die Zeit genommen hattest, das „Licht …“ zu lesen, als ich Dich darauf ansprach.

S: Du glaubst nicht, wie sehr ich mich gefreut hatte, dass Du mir so viel Vertrauen schenkst, Deine Geschichte schon in diesem frühen Entwicklungsstadium lesen zu dürfen. Obwohl wir uns immer nur flüchtig begegnet waren.

O: Das erste Mal war glaube ich auf dem BuCon, oder?

S: Das war eigentlich schon das zweite Mal, wir hatten uns vorher kurz auf den Fantasydays unterhalten. Aber da wusstest Du noch nicht, dass ich Papiergeflüster bin.

Eine Frage, die mich beschäftigt, seit ich die anderen Testleser auf dem letzten BuCon kennen lernte: Alle sind Autoren oder Verleger, abgesehen von mir. Hast Du das beim Feedback gemerkt? Gingen die anderen mehr auf technische Fragen ein?

O: Eigentlich nicht. Natürlich gab es Unterschiede in der Art des Feedbacks. Dianas war zum Beispiel sehr hilfreich, was den Informationsfluss des Romans anging. Deine hat mir zu einigen Figuren, besonders April, sehr geholfen. Wichtig war für mich, dass ihr alle vier euch die Zeit genommen habt, mir zu erklären, was bestimmte Passagen in euch ausgelöst haben, und wieso. Dazu muss man nicht selbst schreiben, aber ein wenig „out of the box“ denken können. Ich kann das selbst nicht immer — bei Filmen zum Beispiel fällt es mir oft schwer, den Finger darauf zu legen, weshalb mich etwas mitnahm, und etwas anderes nicht.

S: Ich bin sehr gespannt, wie April sich in der Endfassung verändert hat. Wie liest Du als Autor Bücher? Kannst Du noch einfach eine Geschichte genießen, oder studierst Du automatisch die Schreibtechnik?

O: Die Arbeit fordert hier leider wirklich ihren Tribut. Ich lese nicht mehr so viel wie früher, und tatsächlich fällt es nicht leicht, den Autor, den Übersetzer und den Literaturwissenschaftler abzuschalten, bis alle endlich Ruhe geben. Sogenannte „Pageturner“ sind oft ein Mysterium für mich.

S: Dabei hast Du schon einige Pageturner übersetzt. Wie trennst Du Deine Arbeit als Autor von der als Übersetzer? Kannst Du beides an ein und demselben Tag tun, oder gibt es Übersetzer-Tage und Autoren-Tage?

O: Es geht, wenn es sein muss, aber ich mache es nicht gern. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, fange ich meistens mit dem an, was gerade drängender ist, weil ich morgens besser arbeite. Dann mache ich Mittagspause oder etwas anderes, um einen klaren Schnitt zu haben, und widme mich dann der anderen Arbeit. Der Idealfall sind tatsächlich Übersetzer-Wochen und Autoren-Wochen. Nach einer längeren Zeit vom einen hat man auch wieder mehr Lust aufs andere.

S: Fällt es Dir schwer, Dich beim Übersetzen auf den Schreibstil des Autors einzulassen? Oder fließt doch immer ein wenig Oliver Plaschka mit in die Übersetzung ein?

O: Es gibt immer Überschneidungen. Genauso wie andere Autoren, die man vielleicht gerade liest, den eigenen Stil beim Schreiben beeinflussen, beeinflusst man auch den Stil anderer Autoren beim Übersetzen. Das Tückische ist, dass manche Übersetzungen sogar besser werden, wenn man sich traut, sich mehr vom Original zu lösen. Letztlich ist „Stil“ auch ein sehr schwer zu fassendes Konzept und spielt nicht bei jedem Auftrag eine gleich prominente Rolle. „Weit im Norden“ ist aber zum Beispiel ein Roman, der sehr von der schlichten Schönheit seiner Sprache und dem trockenen Humor der Hauptperson lebt. In „Das also ist mein Leben“ täuscht die bewusst kindliche Ausdrucksweise Charlies über die Abgründe hinweg, die er verdrängt hat. In beide Romane habe ich sehr viel Herzblut gesteckt.

S: „Weit im Norden“ ist dank Deiner Beschreibung gerade auf meiner Wunschliste gelandet. Du wärst auch ein guter Buchhändler. 😉

O: Danke! Womit wir auch bei Dir mal zum Beruflichen kommen: Von allen Menschen, die ich kenne, die „was mit Büchern“ machen, stellst Du nämlich glaube ich am meisten mit ihnen an. Zum einen bist Du Buchhändlerin, und damit für mich und die meisten Autoren so eine Art Halbgöttin …

S: Halbgöttin? Das war mir noch gar nicht bewusst, warum sind wir für euch Autoren eine Art Halbgöttinnen?

O: Na ja, ihr seid die Leute, die unsere Bücher an den Mann oder die Frau bringen. Und ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, Buchhandlungen abzuklappern und darum zu bitten, dass sie das erste eigene Buch auslegen. Da macht man die unterschiedlichsten Erfahrungen. Eine Buchhandlung in Speyer zum Beispiel hat das Buch einfach behalten, um es sich mal anzuschauen, und nie wieder gemeldet. Ein anderer Buchhändler hat mir spontan geholfen, die erste Lesung in meiner Heimatstadt zu organisieren, und mich mit viel Enthusiasmus beworben.

S: Solche Buchhändler sind ein Segen für Autoren. Ich kann aber auch gut verstehen, wenn ein Buch nicht ins Sortiment genommen wird, die Qual der Wahl ist nicht immer einfach. Auch wenn man sich Deine Bücher wirklich nicht entgehen lassen sollte. Ich empfehle Dich immer gerne den Leuten, die „eigentlich keine Fantasy lesen“.

O: Ja, das Label habe ich seit den „Magiern“ irgendwie weg … Wie viel Freiheit hast Du denn bei der Gestaltung des Sortiments und der Beratung der Kunden?

S: Zum Glück haben wir da sehr viel Freiheit. Jeder Mitarbeiter hat eine Abteilung, in der er für die Zusammenstellung des Sortiments zuständig ist. Bei mir ist das die Phantastik, wenn möglich bekommt man die Abteilung, in der man sich am besten auskennt. Aber da wir natürlich in allen Genres beraten müssen, darf jeder von uns seine ganz besonderen Lieblinge auch in den anderen Gebieten mit aufnehmen. Bücher die einem selbst besonders gut gefielen, verkauft man auch leichter und besser. Bei der Beratung der Kunden sind wir absolut frei.

Da ich in einer unabhängigen Buchhandlung arbeite, also kein großes Filialunternehmen, bestücken wir das Sortiment unabhängig von eingekauften Bestsellern. Wenn wir ein Buch besonders empfehlen, dann weil es uns auch besonders gut gefiel. Nicht, weil jemand dafür gezahlt hat, dass es als Tipp des Monats angepriesen wird.

O: Ich war dennoch sehr überrascht, als ich erstmals von der Existenz und der (vermutlichen) Macht der Vertreter erfahren habe. Klett-Cotta haben mich mal auf eine ihrer Tagungen eingeladen, zu denen den Vertretern das neue Programm vorgestellt wird. Wie aber hat man sich das dann vorzustellen, wenn die bei euch ankommen? Haben die dann ihren Koffer mit ihren Lieblingsbüchern dabei und erklären euch, was ihr anschaffen solltet?

S: Ja, das trifft es ziemlich gut. Aber wir bekommen die Vorschauen der Verlage vorher schon zugeschickt und überlegen uns selbst, welche Titel für uns interessant sein könnten. Da der Vertreter die Bücher schon gelesen hat, lassen wir uns aber gerne mal verführen, wenn er einen besonderen Tipp hat. Aber nicht alle Bücher lassen sich in allen Buchhandlungen verkaufen, wir stellen unser Sortiment abhängig von unserer Kundenstruktur zusammen, die der Vertreter natürlich nicht kennen kann. So ist das Ergebnis des Vertreterbesuchs eine Mischung aus unseren Wünschen und seinen Empfehlungen. Eine gewisse Macht haben die Vertreter damit natürlich schon.

O: Musst Du viel lesen, um up to date zu bleiben?

S: Natürlich, die Standardfrage der Kunden ist „Haben Sie das Buch gelesen?“ Muss ich das verneinen und mich auf die Meinung meiner Kolleginnen oder Rezensionen beziehen, läuft das Gespräch viel schwerer, als wenn ich sie bejahen kann. Im besten Fall gefiel mir das Buch sogar, dann gibt es kaum noch ein Entkommen für den Kunden. Erzählt man begeistert von einem Buch, springt oft der Funke über und der Kunde lässt sich anstecken. Ein wunderbarer Moment, für den ich Buchhändlerin geworden bin. Ich würde nie lügen und behaupten, ich hätte etwas gelesen, wenn dem nicht so ist. Also versuche ich die wichtigsten Titel wirklich gelesen zu haben, auch wenn die Zeit leider oft nur zum Querlesen reicht. In der Menge der Neuerscheinungen ist es leider trotzdem immer nur ein viel zu kleiner Teil, den ich schaffe zu lesen. So manche Perle entgeht einem da.

Nächste Woche: Noch mehr mit Büchern. Bloggen, E-Books und Genregrenzen.

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Gewinnspiel Woche 2: Der heutige Buchstabe ist der dritte Buchstabe des Lösungsworts.

Hier findet ihr ihn: In der zweiten hier im Blog verlinkten Leseprobe. Der gesuchte Buchstabe ist der erste Buchstabe der Provinz, die das folgende Zitat vervollständigt: „reich gewandete Herrschaften aus dem Westen, aus Melnor, und dem Herzen des Strahlenden Reichs.“