Gastgespräch mit DIANA MENSCHIG, Teil 2
by Tausenddorn
Letzte Woche begann an dieser Stelle ein Gespräch mit meiner Kollegin Diana Menschig, in der wir uns über unsere aktuellen Bücher und insbesondere die Geschlechterrollen darin ausgetauscht haben. Diese Woche folgt der zweite Teil.
Diana: Mir hat es Spaß gemacht, dein Buch in dieser frühen Phase lesen zu dürfen. Ich habe für meinen Roman sehr viel mit Testlesern zusammengearbeitet und konnte viele Kritikpunkte auf einmal sehr viel besser nachvollziehen.
Oliver: Du hast das in deinem Blog ja auch dokumentiert. Arbeitest du häufig mit Testlesern?
D: „Häufig“ ist relativ, „Hüter der Worte“ ist ja mein erster eigener Roman. Ich habe zuvor gemeinsam mit Momo Evers ein kleines Buch (Die Windprinzessin, erschienen bei Langenscheidt) geschrieben. Momo ist nicht nur Autorin, sondern auch Lektorin. Wir haben gegenseitig test-gelesen. So waren „echte“ Testleser nicht notwendig.
Für den „Hüter der Worte“ waren die Testleser existenziell: Ohne die positive Rückmeldung hätte ich niemals bis zu Ende geschrieben, da ich noch keinen Verlag hatte. Der Rat vieler Schreib-Experten lautet, keine Freunde als Testleser heranzuziehen, da diese nicht ehrlich wären. Da stimmt nicht grundsätzlich.
Und positives Feedback tut mir einfach auch mal gut. Selbst wenn es der Story nichts bringt, motiviert es mich.
Das größere Problem sehe ich darin, dass Freunde wissen, wie man manche Dinge meint. Sie sind vertrauter mit Satzbau und Wortwahl, erkennen Ironie, wo Fremde scheitern. An dem Punkt sind sie schlechte Kritiker, ohne dass sie oder ich das ändern könnten. Daher hatte ich auch einen mir völlig Fremden als Testleser und das war sehr gut und richtig.
Du hast dagegen bisher noch nie Manuskripte in diesem frühen Stadium lesen lassen. Wie ist es dazu gekommen, dass du dieses Mal Testleser angefragt hast?
O: Ich war dieses Mal unsicherer als bisher. „Fairwater“ war ein sehr persönliches Buch, das ich zwar einigen Leuten recht früh gegeben habe, an dem ich aber eigentlich nie etwas ändern wollte. Erst, als wir damit auf Verlagssuche gingen und eine Reihe von Absagen erhielten, haben wir das Manuskript dann gestutzt, um es „ansprechender“ zu machen, und eines der Dinge, für die ich Feder&Schwert wirklich dankbar bin, ist, dass wir diese Änderungen dann wieder zurückgedreht haben und das Buch so erschienen ist, wie ich es haben wollte.
Von den „Magiern“ hatte ich immer ein sehr konkretes Bild, und der „Kristallpalast“ hatte ein solides Gerüst, an dem es wenig zu rütteln gab. Das „Licht …“ war aber immer eine Sammlung sehr unterschiedlicher Stimmungen und Ideen aus vielen Jahren, eigentlich Jahrzehnten kreativen Schaffens, das gleichzeitig gewissen Grundanforderungen der High Fantasy genügen sollte. Ich musste wirklich wissen, ob das funktioniert, bevor ich den Verlag damit konfrontierte. Und ich bin meinen Testlesern sehr dankbar, dass sie mir dabei geholfen haben.
D: Würdest du es wieder tun?
O: Wenn es mir bei einem Projekt wieder ähnlich ergeht, ja. Der Idealzustand ist für mich aber immer noch, seinem eigenen Urteil zu vertrauen. Man muss bloß erkennen, in welchen Fällen das geht, und wann man sich auf wackligem Boden bewegt. Es gibt einen Unterschied zwischen Selbstvertrauen und Rechthaberei, genau wie es einen Unterschied zwischen konstruktiver Kritik und Geschmacksfragen gibt.
Wie bist du denn mit Kritik umgegangen, die du nicht nachvollziehen konntest?
D: Sehr verschieden. Ich habe meistens bei anderen nachgefragt, ob sie es auch so empfunden haben. Wenn ein und derselbe Punkt von mehreren Personen unabhängig voneinander angemeckert wurde, habe ich dem meist nachgegeben. Ich musste auch bei deinem Blogbeitrag „Peinlichkeitscheck“ genau daran denken:
In einem aktuellen Projekt gibt es eine Frau, die Tofani heißen sollte. Nachdem sich drei Leser an „Tofu“ erinnert fühlten, habe ich den Namen geändert. Dass ich damit auf die Tofana in den Dolomiten anspiele, interessiert dann auch niemanden mehr.
Ich habe auch gelernt, dass man es nie, nie, nie allen recht machen kann, und dann hast du recht: Man sollte auf sich selbst hören.
O: Ich muss gestehen, Tofu ist mir als Vegetarier auch näher als die Dolomiten das sind.
D: Das war ja klar … War es denn für dich ein Unterschied, dass manche deiner Testleser auch Autoren sind?
O: Sicher. Meine wichtigsten Bezugspersonen als Autor waren immer andere Autoren, viele davon gleichzeitig Literaturwissenschaftler, oder einfach sehr belesene und kreative Menschen. Es geht nicht unbedingt darum, dass sie selbst schreiben, sondern dass sie meine Perspektive hinter den Kulissen nachvollziehen können. Es bringt mir recht wenig, zu hören, dass etwas „ganz toll“ oder „total langweilig“ ist. Mich interessiert, warum das so ist, und dafür braucht man eine gemeinsame Sprache.
Wie ist das bei dir? Tom Schäfer ist Autor. Ist er dir als solcher ähnlich? Könntet ihr ein Buch zusammen schreiben?
D: Niemals! Wie bereits gesagt ist Tom eher der genaue Gegenentwurf zu meiner Arbeitsweise. Er entspricht wohl auch dem Klischee des kreativen Wirrkopfes. Für ihn ist Schreiben definitiv Spaß und läuft ohne Aufwand und Mühe. Also so, wie es sich manche Leser vorstellen. Warum es bei ihm so ist, ist Teil der Geschichte und dass die Realität — also auch die im Buch repräsentiert durch seine Lektorin — ganz anders ist, klingt an.
Ich kannte damals ja noch gar keine Autoren, das hat sich zum Glück geändert. Denn du hast recht: Vielleser haben eher vage Gefühle, dass etwas mit dem Ablauf oder der Figur nicht stimmt. Sie fühlen sich nicht wohl oder würden im schlimmsten Fall nicht weiterlesen, ohne dass sie sagen könnten, warum. Ich habe mich bemüht, einen Querschnitt zu nehmen, auch um meine Zielgruppe kennen zu lernen. Im Laufe der Arbeit habe ich dem Feedback dann auch verschiedene Bedeutung beigemessen.
Was war dir wichtig beim Feedback, was hat dir nicht gefallen?
O: Bei langen Texten sind mir allgemeine Eindrücke erst einmal wichtiger als Details: wie ist die generelle Stimmung, ergibt der Plot überhaupt Sinn, was hält man von den Figuren, an welcher Stelle kippt es vielleicht. Sobald man ein Problem isoliert hat, kann man näher über bestimmte Szenen und Motive diskutierten. Was ich bei einem Roman nicht brauche, sind Kommentare zu jedem einzelnen Abschnitt. Das verliert schnell an Aussagekraft, manchmal merkt man auch, wie die Leser sich dabei in etwas hineinsteigern. Noch unangenehmer ist Fundamentalkritik, also Leser, die einen Stoff oder eine Figur kategorisch ablehnen, ohne einem zu erklären, wo eigentlich ihr Problem damit liegt oder wie sie das Problem lösen würden.
Versteh mich nicht falsch, ich bin konstruktiver Kritik gegenüber sehr offen. Ich habe viele Jahre in entsprechenden Foren zugebracht und einmal die Woche im engen Kreis mit befreundeten Autoren diskutiert. Und es gibt Leute, die darauf stehen, möglichst schonungslos zerrissen zu werden, weil sie glauben, daran zu wachsen oder es für eine Art Initiationsritus halten. Ich habe gelernt, dass ich so aber nicht funktioniere, und deshalb kritisiere ich auch selbst nicht so. Eine gute Kritik sollte immer bemüht sein, einen Text in seinem Sinne zu verbessern. Das heißt, zunächst einmal zu erkennen, was der Autor eigentlich erreichen wollte, und ihm dann Vorschläge zu machen, wie er das besser hinkriegt. Leute, die einen Text am liebsten selbst und anders schreiben würden, sind schlechte Testleser.
D: Und du weisst ja, was ich darüber denke: 10 Testleser, 20 Meinungen …