Das Licht hinter den Wolken

Fahnenkorrektur

Und wie erwartet, hier sind sie: die Druckfahnen, und es ist einfach unglaublich, wie viele Fehler man auch beim gefühlt achtzehnten Lesen noch findet, die bisher noch keinem Mensch, besonders einem selbst nicht, aufgefallen sind.

Die Freude, das Buch endlich so zu sehen, wie es mal sein wird, mischt sich mit dem blanken Entsetzen darüber, auf jeder zweiten Seite noch Änderungen anbringen und anderen Leuten damit wieder Arbeit machen zu müssen, während man panisch zwischen Laptop und Papierstapeln rotiert. Aber so ist es immer — egal, wie lange man an einem Buch arbeitet.

Bei Klett-Cotta gibt es derweil das Frühjahrsprogramm als Download, mit dem Cover des „Lichts“ auf der „U1 (= Umschlagseite Eins)“, wie das im Fachsprech so schön heißt (mir war das Wort neu, aber auf der Frankfurter Buchmesse habe ich mehrmals gehört, wie es gebraucht wurde, meist mit einem gewissen ehrfürchtigen Entzücken in der Stimme). Ich finde, es macht sich gut, und möchte betonen: Beide Schwerter sind absolut handlungsrelevant.

Auch muss ich meine Schätzung vom April nach oben korrigieren: 688 Seiten sind es geworden. Man stellte mir sogar ein Lesebändchen in Aussicht.

Vorschau

Und jetzt ist sie endlich da, die erste Vorankündigung bei Klett-Cotta. Ich bin damit natürlich sehr glücklich, ebenso wie mit dem Cover von Max Meinzold. Da auch nach diesen Dingen oft gefragt wird, hier ein bisschen Hintergrund zu diesen „Werbemitteln“.

Ich genoss bei diesem Buch ein ungewöhnlich großes Maß an kreativer Freiheit. Das beginnt beim Titel, der — im Gegensatz zu den „Magiern von Montparnasse“ — diesmal von mir stammt. Auch das Cover folgt einem Vorschlag von mir. Es war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, ob wir das Buch „Das Licht hinter den Wolken“ oder „Banneisen und Schneeklinge“ nennen würden, deshalb beschlossen wir, vorsorglich beides auf dem Cover unterzubringen: Das Licht und die beiden Schwerter. Ich bin sehr froh, dass es das Licht geworden ist, denn obgleich sich dieser Titel vielleicht nicht ganz so schnell erschließt, ist er, wenn man das Buch gelesen hat, meines Erachtens der bessere.

Das Aussehen der Schwerter folgt weitgehend, aber nicht ganz der Beschreibung im Buch. Eine wirklich enge Abstimmung ist in einem solchen Fall, in dem ein größerer Verlag ein Cover vielleicht noch über den Umweg einer Agentur bei einem Künstler einkauft, logistisch nicht ganz leicht, aber auch nicht nötig. Schon bei den „Magiern“ entstand das Problem, dass die Figuren auf dem Einband nicht wirklich den Figuren der Handlung entsprachen. Das war aber egal, weil das Cover den „Spirit“ des Buchs einfing, und so verhält es sich auch hier. Ich habe frühe Versionen des Covers gesehen und weiß, dass es eine Zeitlang Gespräche darüber gab, wie verschnörkelt der Schriftzug sein durfte oder sollte, und was von der Berglandschaft im Hintergrund zu halten wäre. Ich für meinen Teil habe mich in allen Stadien des Covers sehr gut in der Stimmung wiedergefunden, die es vermittelt. Insbesondere das rote Bändchen an Schneeklinges Heft hat es mir angetan. Auch wenn der „Roadmovie“, den ich ursprünglich einmal erzählen wollte, heute nicht mehr ganz so im Vordergrund steht, ist es genau dieses Bändchen, das für mich die Liebesgeschichte im sonst für die Charaktere nicht immer erquicklichen Gang der Dinge ausmacht. Wäre es ein Gegenwartsroman, hätte ich mir zwei überkreuzte Pistolen auf dem Cover gewünscht.

Der Untertitel erfüllt gleich zwei Funktionen: Der Verlag wollte ein klares Signal, dass es sich um einen Fantasyroman handelt. Ich wollte ein Hintertürchen, durch das ich eine Welt für künftige Geschichten etablieren konnte. Wohlgemerkt KEINE Fortsetzungen — das „Licht hinter den Wolken“ ist genauso abgeschlossen wie alle meine Romane bisher. Aber die Welt, die für das Buch aus der Taufe gehoben wurde, böte noch Gelegenheit für andere Geschichten, in anderen Zeitaltern (ob es dazu je kommen wird, hängt natürlich vom Erfolg des Buches ab). Allerdings ist daraus auch eine leicht absurde Situation erwachsen: Auch wenn die Welt oder präziser der Kontinent für mich gedanklich immer das Zweiringeland war, fällt das Wort kein einziges Mal im Text. Doch mehr dazu die nächsten Wochen.

Auch am Klappentext durfte ich mitarbeiten. Das wiederum ist gar nicht mal so ungewöhnlich, andererseits ist es eine Aufgabe, um die sich die meisten Autoren nicht gerade reißen. Mir zumindest fällt es sehr schwer, Werbetexte für meine eigenen Bücher zu schreiben, und auch wenn es heißt, dass man in der Lage sein sollte, jede Geschichte in 1-3 Sätzen zu pitchen, bieten sich meine Plots in der Regel irgendwie nicht dazu an. Das letzte Wort hat dann ohnehin der Verlag, der natürlich vor allem bemüht ist, seine Stammleserschaft anzusprechen. Man kann davon halten, was man will, aber Klappentexte sind wichtig für den ersten Eindruck, fast so wichtig wie Cover und Titel. So gesehen sind sie immer eine Gratwanderung, jedes Wort ist ein Risiko, und in Anbetracht dessen bin ich mit dem Ergebnis wirklich zufrieden.

Zu guter Letzt gibt es den berühmten „Blurb“. Damit meine ich speziell wohlwollende Einzeiler oder Kommentare von Rezensenten, oder — dank der traditionellen Missachtung des Genres — insbesondere für uns Fantasten auch von Kollegen. Wahrscheinlich bringen sie exakt gar nichts, aber sie gehören zur Tradition. Blurbs werden meist vom Verlag angefragt, und obwohl es kein Geheimnis ist, dass Christoph und ich befreundet sind, haben mich weder er noch mein Lektor hier einbezogen. Und deshalb freut es mich.

Rückschau

Während hier im Blog das Gastgespräch mit Diana Menschig lief, habe ich hinter den Kulissen das lektorierte Manuskript überarbeitet. Bei der Hobbitpresse wird noch ausgedruckt und von Hand korrigiert; das ist in der Regel gründlicher als am Bildschirm, dafür natürlich auch mehr Arbeit für alle Beteiligten und sieht in etwa so aus wie unten auf dem Bild.

Weil man auf Lesungen oft danach gefragt wird und sich viele Leute kein rechtes Bild vom Werdegang eines Buchs machen, dokumentiere ich heute noch einmal die komplette Entstehungsgeschichte:

Wir haben das Buch im Juni 2010 verabredet (damals wurde allmählich klar, dass die „Magier“ wirtschaftlich kein Reinfall waren). Ende Juli habe ich die berühmten ersten 70 Seiten abgegeben. Den Vertrag wurde im Oktober unterzeichnet, mit einer — sehr großzügigen — geschätzten Deadline von anderthalb Jahren. Im Laufe des Jahres 2011 schrieb ich weite Teile der Rohfassung, kam aber nur schleppend voran, weil ich gleichzeitig viel übersetzt habe. Von November 2011 bis März 2012 habe ich mir deshalb von der Arbeit freigenommen, um mich, wie’s so schön heißt, ganz dem Schreiben zu widmen. Dieses Zeitspanne entsprach auch ungefähr dem, was ich von meinem Vorschuss finanziell abdecken konnte. Ein Vorschuss bemisst sich in der Regel nach den zu erwartenden Erlösen, wobei wir auf Erfahrungswerte von den „Magiern“ zurückgreifen konnten. Ich erwähne das also nicht, weil ich unzufrieden wäre, im Gegenteil. Aber vielleicht kuriert es von den romantischen Vorstellungen, die sich manch einer vom Schreiben macht … und erklärt, wieso ich das Veröffentlichen nach wie vor als Luxus ansehe, für den ich einerseits sehr dankbar bin, der aber andererseits immer so „unvernünftig“ wie am ersten Tag sein wird.

Im Januar 2012 habe ich das erste Mal alle Kapitel zusammengebaut. Diese Rohfassung ging zunächst an die vier Testleser, die ich seitdem hier im Blog vorstelle, dann, zur Leipziger Buchmesse, in überarbeiteter Form an meinen Lektor. Mit dessen Hilfe habe ich es dann ein weiteres Mal redigiert. Zu diesem Zeitpunkt habe ich auch wieder gearbeitet; die Deadline zumindest, dem „Hobbit“ sei’s gedankt, hatte sich mittlerweile erledigt. Ehrlich gesagt fiel mir ein Stein vom Herzen, dass der Wiedereinstieg ins Übersetzen reibungslos funktionierte; ohne eine gewisse Sicherheit fällt es sehr schwer, kreativ zu sein.

Im August haben mein Lektor und ich uns noch einmal persönlich getroffen, um über mögliche Verbesserungen zu reden. Die zweite Abgabe erfolgte Mitte September. Daraufhin haben er und eine weitere Mitarbeiterin das Manuskript im Ausdruck korrigiert und mit letzten Anmerkungen versehen (das ist der Stapel oben im Bild). Diesen Ausdruck habe ich nun wiederum durchgearbeitet und das Manuskript ein drittes Mal abgegeben. Im Dezember wird dann der letzte Schritt erfolgen: Die Fahnenkorrektur. Danach geht das Buch in Druck.

Und erst, wenn es aus der Druckerei zurück ist und man weiß, dass nichts mehr schief ging, wenn es die ersten Rezensenten erreicht hat und in den Buchhandlungen ausliegt — dann, erst dann, ist diese fast dreijährige Reise zu Ende.

Gastgespräch mit DIANA MENSCHIG, Teil 2

Letzte Woche begann an dieser Stelle ein Gespräch mit meiner Kollegin Diana Menschig, in der wir uns über unsere aktuellen Bücher und insbesondere die Geschlechterrollen darin ausgetauscht haben. Diese Woche folgt der zweite Teil.

Diana: Mir hat es Spaß gemacht, dein Buch in dieser frühen Phase lesen zu dürfen. Ich habe für meinen Roman sehr viel mit Testlesern zusammengearbeitet und konnte viele Kritikpunkte auf einmal sehr viel besser nachvollziehen.

Oliver: Du hast das in deinem Blog ja auch dokumentiert. Arbeitest du häufig mit Testlesern?

D: „Häufig“ ist relativ, „Hüter der Worte“ ist ja mein erster eigener Roman. Ich habe zuvor gemeinsam mit Momo Evers ein kleines Buch (Die Windprinzessin, erschienen bei Langenscheidt) geschrieben. Momo ist nicht nur Autorin, sondern auch Lektorin. Wir haben gegenseitig test-gelesen. So waren „echte“ Testleser nicht notwendig.

Für den „Hüter der Worte“ waren die Testleser existenziell: Ohne die positive Rückmeldung hätte ich niemals bis zu Ende geschrieben, da ich noch keinen Verlag hatte. Der Rat vieler Schreib-Experten lautet, keine Freunde als Testleser heranzuziehen, da diese nicht ehrlich wären. Da stimmt nicht grundsätzlich.

Und positives Feedback tut mir einfach auch mal gut. Selbst wenn es der Story nichts bringt, motiviert es mich.

Das größere Problem sehe ich darin, dass Freunde wissen, wie man manche Dinge meint. Sie sind vertrauter mit Satzbau und Wortwahl, erkennen Ironie, wo Fremde scheitern. An dem Punkt sind sie schlechte Kritiker, ohne dass sie oder ich das ändern könnten. Daher hatte ich auch einen mir völlig Fremden als Testleser und das war sehr gut und richtig.

Du hast dagegen bisher noch nie Manuskripte in diesem frühen Stadium lesen lassen. Wie ist es dazu gekommen, dass du dieses Mal Testleser angefragt hast?

O: Ich war dieses Mal unsicherer als bisher. „Fairwater“ war ein sehr persönliches Buch, das ich zwar einigen Leuten recht früh gegeben habe, an dem ich aber eigentlich nie etwas ändern wollte. Erst, als wir damit auf Verlagssuche gingen und eine Reihe von Absagen erhielten, haben wir das Manuskript dann gestutzt, um es „ansprechender“ zu machen, und eines der Dinge, für die ich Feder&Schwert wirklich dankbar bin, ist, dass wir diese Änderungen dann wieder zurückgedreht haben und das Buch so erschienen ist, wie ich es haben wollte.

Von den „Magiern“ hatte ich immer ein sehr konkretes Bild, und der „Kristallpalast“ hatte ein solides Gerüst, an dem es wenig zu rütteln gab. Das „Licht …“ war aber immer eine Sammlung sehr unterschiedlicher Stimmungen und Ideen aus vielen Jahren, eigentlich Jahrzehnten kreativen Schaffens, das gleichzeitig gewissen Grundanforderungen der High Fantasy genügen sollte. Ich musste wirklich wissen, ob das funktioniert, bevor ich den Verlag damit konfrontierte. Und ich bin meinen Testlesern sehr dankbar, dass sie mir dabei geholfen haben.

D: Würdest du es wieder tun?

O: Wenn es mir bei einem Projekt wieder ähnlich ergeht, ja. Der Idealzustand ist für mich aber immer noch, seinem eigenen Urteil zu vertrauen. Man muss bloß erkennen, in welchen Fällen das geht, und wann man sich auf wackligem Boden bewegt. Es gibt einen Unterschied zwischen Selbstvertrauen und Rechthaberei, genau wie es einen Unterschied zwischen konstruktiver Kritik und Geschmacksfragen gibt.

Wie bist du denn mit Kritik umgegangen, die du nicht nachvollziehen konntest?

D: Sehr verschieden. Ich habe meistens bei anderen nachgefragt, ob sie es auch so empfunden haben. Wenn ein und derselbe Punkt von mehreren Personen unabhängig voneinander angemeckert wurde, habe ich dem meist nachgegeben. Ich musste auch bei deinem Blogbeitrag „Peinlichkeitscheck“ genau daran denken:

In einem aktuellen Projekt gibt es eine Frau, die Tofani heißen sollte. Nachdem sich drei Leser an „Tofu“ erinnert fühlten, habe ich den Namen geändert. Dass ich damit auf die Tofana in den Dolomiten anspiele, interessiert dann auch niemanden mehr.

Ich habe auch gelernt, dass man es nie, nie, nie allen recht machen kann, und dann hast du recht: Man sollte auf sich selbst hören.

O: Ich muss gestehen, Tofu ist mir als Vegetarier auch näher als die Dolomiten das sind.

D: Das war ja klar … War es denn für dich ein Unterschied, dass manche deiner Testleser auch Autoren sind?

O: Sicher. Meine wichtigsten Bezugspersonen als Autor waren immer andere Autoren, viele davon gleichzeitig Literaturwissenschaftler, oder einfach sehr belesene und kreative Menschen. Es geht nicht unbedingt darum, dass sie selbst schreiben, sondern dass sie meine Perspektive hinter den Kulissen nachvollziehen können. Es bringt mir recht wenig, zu hören, dass etwas „ganz toll“ oder „total langweilig“ ist. Mich interessiert, warum das so ist, und dafür braucht man eine gemeinsame Sprache.

Wie ist das bei dir? Tom Schäfer ist Autor. Ist er dir als solcher ähnlich? Könntet ihr ein Buch zusammen schreiben?

D: Niemals! Wie bereits gesagt ist Tom eher der genaue Gegenentwurf zu meiner Arbeitsweise. Er entspricht wohl auch dem Klischee des kreativen Wirrkopfes. Für ihn ist Schreiben definitiv Spaß und läuft ohne Aufwand und Mühe. Also so, wie es sich manche Leser vorstellen. Warum es bei ihm so ist, ist Teil der Geschichte und dass die Realität — also auch die im Buch repräsentiert durch seine Lektorin — ganz anders ist, klingt an.

Ich kannte damals ja noch gar keine Autoren, das hat sich zum Glück geändert. Denn du hast recht: Vielleser haben eher vage Gefühle, dass etwas mit dem Ablauf oder der Figur nicht stimmt. Sie fühlen sich nicht wohl oder würden im schlimmsten Fall nicht weiterlesen, ohne dass sie sagen könnten, warum. Ich habe mich bemüht, einen Querschnitt zu nehmen, auch um meine Zielgruppe kennen zu lernen. Im Laufe der Arbeit habe ich dem Feedback dann auch verschiedene Bedeutung beigemessen.

Was war dir wichtig beim Feedback, was hat dir nicht gefallen?

O: Bei langen Texten sind mir allgemeine Eindrücke erst einmal wichtiger als Details: wie ist die generelle Stimmung, ergibt der Plot überhaupt Sinn, was hält man von den Figuren, an welcher Stelle kippt es vielleicht. Sobald man ein Problem isoliert hat, kann man näher über bestimmte Szenen und Motive diskutierten. Was ich bei einem Roman nicht brauche, sind Kommentare zu jedem einzelnen Abschnitt. Das verliert schnell an Aussagekraft, manchmal merkt man auch, wie die Leser sich dabei in etwas hineinsteigern. Noch unangenehmer ist Fundamentalkritik, also Leser, die einen Stoff oder eine Figur kategorisch ablehnen, ohne einem zu erklären, wo eigentlich ihr Problem damit liegt oder wie sie das Problem lösen würden.

Versteh mich nicht falsch, ich bin konstruktiver Kritik gegenüber sehr offen. Ich habe viele Jahre in entsprechenden Foren zugebracht und einmal die Woche im engen Kreis mit befreundeten Autoren diskutiert. Und es gibt Leute, die darauf stehen, möglichst schonungslos zerrissen zu werden, weil sie glauben, daran zu wachsen oder es für eine Art Initiationsritus halten. Ich habe gelernt, dass ich so aber nicht funktioniere, und deshalb kritisiere ich auch selbst nicht so. Eine gute Kritik sollte immer bemüht sein, einen Text in seinem Sinne zu verbessern. Das heißt, zunächst einmal zu erkennen, was der Autor eigentlich erreichen wollte, und ihm dann Vorschläge zu machen, wie er das besser hinkriegt. Leute, die einen Text am liebsten selbst und anders schreiben würden, sind schlechte Testleser.

D: Und du weisst ja, was ich darüber denke: 10 Testleser, 20 Meinungen …

Gastgespräch mit DIANA MENSCHIG, Teil 1

Im nächsten Teil meiner Reihe von Gesprächen mit der Handvoll Menschen, die das „Licht …“ bereits gelesen haben, ist diese Woche meine Kollegin Diana Menschig an der Reihe, deren Roman Hüter der Worte gerade bei Knaur erschienen ist.

Diana Menschig, geboren 1973, absolvierte nach einem Studium der Psychologie mehrere Stationen in Marktforschung und Personalmanagement, bevor sie einen Spieleladen eröffnete. Heute arbeitet sie als selbständige Dozentin und Autorin. Wenn sie nicht gerade in fantastischen Parallelwelten unterwegs ist, teilt sie sich mit ihrem Mann, zwei Hunden, einer Katze und vielen Rennrädern ein Haus am Niederrhein.

Diana: Lieber Oliver, sehr herzlichen Dank für deine Einladung zum nächsten Gastgespräch.

Oliver: Ich habe zu danken.

D: Ich war ja nun eine der Leserinnen, die das „Licht …“ schon testlesen durften. Und auch wenn ich natürlich einige kritische Anmerkungen hatte, finde ich die Geschichte großartig und freue mich auf das Buch!

Daher beginne ich auch direkt mit den Fragen, die mir dazu unter den Nägeln brennen: Zu meinen absoluten Lieblingsfiguren gehören die „lonesome wolves“ Lesardre sowie Cassiopeia: Vom Schicksal getriebene und gebrochene Figuren, die sich mit ihrer Situation nicht abfinden wollen und rebellieren, dabei einsam, melancholisch und auch etwas düster wirken. Es ist — soweit ich das sehe — das erste Mal, dass du diesen Figuren-Archetypus in einem deiner Bücher verwendest. Was magst du an ihnen besonders, was nicht?

O: Solche eher düstere Figuren hätten in meine bisherigen Bücher wirklich schlecht gepasst (am ehesten geht vielleicht noch Cosmo van Bergen in diese Richtung, aber der war kein Held, und keine Hauptfigur). Ich hatte auch gewisse Berührungsängste, ob sie nicht zu abgegriffen wirken, denn beide sind alte Rollenspielfiguren mit deutlichen Anklängen an Elric von Melniboné oder auch Conan. Bei so etwas muss man vorsichtig sein. Ich war selbst überrascht, wie gut es geklappt hat; Cassiopeias Geschichte ist eigentlich ein Buch im Buch geworden und enthält viele meiner Lieblingspassagen.

Was mich an solchen Figuren wohl fasziniert — und vielleicht nicht nur mich — ist ihre sture Konsequenz, ohne jede Rücksicht auf sich selbst oder andere. Cassiopeia trifft eine Entscheidung nach der anderen, die für sie zwar vollkommen logisch ist, bei jedem vernünftigen Menschen aber die Alarmglocken gellen lassen müsste. So etwas bewundern wir, weil wir so nie handeln würden. Es gehört schon ein gewisser Größenwahn dazu, sich über all die Zwänge zu erheben, die unseren Alltag bestimmen. Gleichzeitig sind beide Geschichten, Cassiopeias wie Lesardres, auch Geschichten über Schuld, und das ist ein Thema, zu dem ich sehr häufig zurückkehre.

D: Siehst du da einen Unterschied zwischen den weiblichen und den männlichen Figuren? Ich als Leserin finde es für männliche häufig passender, wobei Cassiopeia extrem gut gelungen ist.

O: Danke. In der Regel mache ich eigentlich keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern; zumindest lasse ich meine Figuren nie bewusst Entscheidungen treffen, weil etwas jetzt vermeintlich „typisch Mann“ oder „typisch Frau“ ist. Ich bin immer überrascht, wenn Leser es dann doch so empfinden, und glaube, dass Projektion hier eine große Rolle spielt.

D: Meinst du mit Projektion, dass die Leser automatisch den Figuren Attribute oder Taten des entsprechenden Geschlechts zuordnen? Also bei einem Mann „männliche Handlungen“ als „richtiger“ empfunden werden?

O: Eigentlich sogar, dass man als Leser einer Figur, ob „Mann“ oder „Frau“, automatisch die erwarteten Attribute andichtet, ob der Autor sie nun nennt oder nicht.

D: Das könnte sein. Wir alle werden sicherlich im Alltag immer noch mit Geschlechterstereotypen konfrontiert. Ich habe aber Leser viel gnädiger erlebt, solange das Gesamtbild stimmt. Im „Hüter der Worte“ ist zum Beispiel der Protagonist Tom ein unglaublich romantischer Typ, während seine Freundin Mellie eine knallharte, rationale Analytikerin ist. Den Stereotypen entsprechend müsste es eher umgekehrt sein, aber darüber hat sich, bei aller Kritik, noch niemand beschwert.

O: Was macht Tom vom Gesamtbild dann eher „männlich“? Erzähl doch mal ein bisschen vom „Hüter der Worte“ — das Buch kommt ja gerade richtig gut an. Ich weiß, dass Tom den Weg von unserer Welt in eine andere entdeckt …

D: Oh je, „männlich“ ist kein Attribut, das mir bei Tom in den Sinn kommen würde, maximal „junger Mann“. Dazu empfinde ich ihn noch als viel zu unreif … Aber das müssen die Leser(innen) entscheiden.

Tom Schäfer ist in seinem „wahren“ Leben Student und Fantasy-Autor und lebt in Münster. Er ist ein typischer Geek, Rollenspieler und extrem internetaffin. Daher fällt es ihm leicht, die Existenz dieser anderen Welt zu akzeptieren, denn virtuelle und/oder Rollenspiel-Welten sind für ihn auch nichts anderes als alternative Realitäten.

Bevor du fragst: Den Hintergrund habe ich mit dieser Figur gemeinsam, dennoch identifiziere ich mich wenig mit Tom, sogar weniger als mit anderen Figuren im Buch. Das Schreiben und sein Erfolg „passieren“ ihm eher zufällig und seine Arbeitsweise als Autor ist eine Katastrophe.

Ich nehme das Schreiben dagegen sehr ernst und du weißt selbst, dass es so manches Mal harte Arbeit ist. Und den Erfolg hätte ich gern. Aber das kann ja noch kommen …

O: Schreibst du als Frau lieber über Männer?

D: Gegenfrage, ist das wirklich so ungewöhnlich? Diese Frage habe ich nämlich bereits intensiv mit meiner Lektorin und auch mit Kollegen diskutiert. Dabei fallen mir spontan Robin Hobb, Joanne K. Rowling oder Rebecca Gablé ein, deren Protagonisten alle männlich sind.

Tatsächlich ist „Hüter der Worte“ sehr männerlastig. Meine Lektorin hat darin eine Gefahr gesehen, dass Leserinnen eine mögliche Identifikationsfigur fehlt. Daher hat Toms Freundin Mellie im Verlauf der Überarbeitung einen wesentlich höheren Anteil bekommen. Eine weitere Gegenmaßnahme war mein (weiblicher) Real-Name auf dem Cover. Nach meinem Wunsch wäre das Buch unter dem Pseudonym „Tom Schäfer“ erschienen, was der Buch-in-Buch-Thematik eine weitere Dimension verliehen hätte.

Bisher gefällt es Leserinnen besser als Lesern. Es ist also ein „Frauen-Buch“, trotz (oder wegen?) der vielen Kerle.

O: Tom ist in Deinem Blog ja auch ein Alter Ego von Dir geworden. Diese Freude am Identitätenspiel im Netz scheinen wir zu teilen … Aber ich glaube, wir schweifen ab.

D: Ja, stimmt beides. Also zurück zur Frage: Schreibe ich lieber über Männer? Nicht bewusst. Aber es scheint mir besser zu gelingen. An den weiblichen Perspektiven wird viel mehr herumkritisiert. Warum, ist mir wirklich ein Rätsel.

O: Waren diese Kritiker denn überwiegend Frauen oder Männer?

D: Beide. Auch nach längerem Nachdenken fällt mir kein Unterschied auf. Es gibt nur eine Handvoll Leute, mit denen ich über so etwas spreche, Wie die Kritik ausfällt, ergibt sich eher aus dem Kontext und wie diese Personen insgesamt zu mir stehen, weniger aus dem Geschlecht.

Schreibst du denn generell über ein Geschlecht lieber? Fällt dir eins leichter?

O: Eigentlich nicht. Je nach sexueller Orientierung hat man zu den Figuren des entsprechenden Geschlechts aber vielleicht eine romantischere Beziehung. Deshalb hat es mir auch sehr geholfen, dass du meinen „männlichen“ Blick auf weibliche Figuren (im wahrsten Sinne) etwas korrigiert hast …

D: Damit spielst du auf eine Szene an, in der Cassiopeia das Alter einer nackten Frau abschätzt, indem sie ihre …

O: *hust*

D: Ja, eine Frau würde vermutlich eher auf Krähenfüße um die Augen oder Orangenhaut an den Oberschenkeln achten … Im Ernst: Mir ist es mit meinen männlichen Testlesern genauso ergangen. In einer Szene hat Laryon, Toms Romanfigur und die zweite (ebenfalls männliche) Hauptperson des Buches, „Unterleibsschmerzen“. Ich hatte diesen Begriff gewählt, weil ich die unglaubliche Agonie in Worte fassen wollte, die es Laryon unmöglich macht, es genauer zu lokalisieren. Ich wurde aber dezent darauf hingewiesen, dass Männer einfach „Bauchschmerzen“ sagen würden, selbst bei einer Blasenentzündung. Ein zweiter Leser bestätigte das energisch. Seitdem fällt mir besonders auf, wenn ein Autor seinen weiblichen Figuren männliche Betrachtungen zuschiebt und umgekehrt.

O: Da muss ich zustimmen. Männer haben keinen Unterleib. Die meisten Männer wissen nicht einmal, dass etwas wie Blasenentzündung existiert. Bauchschmerzen kennen sie dagegen vom Essen.

Nächste Woche: Über Kritik und den sachgerechten Umgang damit.

Eolyn

Wie bereits erwähnt, gibt es drei nichtmenschliche Völker im Zweiringeland. Über Faune habe ich bereits eine Menge erzählt. Über die Timei werde ich das vielleicht noch tun — andererseits, was gibt es mehr zu sagen als „everything’s better with cat people“? Heute aber geht es um Eolyn.

Von allen „Tolkien-Völkern“, die für mich den Reiz des Genre „Fantasy“ definiert haben, sind Elfen diejenigen, von denen mir der Abschied am schwersten fiel. Vielleicht bringen sie und die Art, wie sie im „Herrn der Ringe“ eingeführt werden (ich denke hier an Sam Gamdschie und seinen Wunsch, Elben zu sehen) an ehesten die Fantasy-typische Sehnsucht nach dem „Anderen“ zum Ausdruck, das sich dann meist über eine Handvoll repräsentativer Figuren in der Gruppe („der Zwerg“, „der Elb“ usw.) personifiziert.

Ich habe mich aber bald dagegen gesträubt, sie einfach nur als „schöner“ oder gar „besser“ als Menschen wahrzunehmen. Elfen werden wie alle Charaktere interessanter, wenn sie auch Fehler besitzen — natürlich sind sie Patrizier, Celebs, „beautiful people“, Ikonen, aber gerade deshalb laden sie auch dazu ein, deren typische Schwächen aufzuzeigen: ihren Hochmut, ihre Einsamkeit, ihre Abgründe, und die Schuld, die sie in ihrer Überheblichkeit vielleicht auf sich geladen haben oder vielleicht auch damit zu überdecken suchen. Sie sind damit also keinesfalls „mehr“ als Menschen, sondern eher sogar „weniger“ — schärfer vielleicht — lebende Verweise auf eine bestimmte, letztlich sehr menschliche, Erlebniswelt. Und als solche wollte ich sie nicht missen.

Brauchte es also nur noch einen Namen. Man mag „Eolyn“ als wenig originellen Verschleierungsversuch betrachten, aber der Klang des Wortes gefällt mir. Es entstand aus den Ellyllon der walisischen Mythologie, auf die ich bei der Recherche nach Elfen- und Feenwesen gestoßen war, „the souls of the ancient Druids, which, being too good for hell, and not good enough for heaven, are permitted to wander upon earth till the judgment day, when they will be admitted to a higher state of being.“ Und das fand ich sehr passend.

Als Abschluss meiner Reihe alter Bilder gibt es heute noch Lesardre. Auch dieses Bild muss irgendwann Mitte der Neunziger entstanden sein; auch er begann einmal als Rollenspielcharakter, und hatte sicherlich mehr mit Elric als mit Legolas gemeinsam. Über seine Rolle im „Licht …“ möchte ich noch nicht zu viel verraten; aber ich würde ihn nach April, Janner, Sarik und Cassiopeia als fünfte Hauptfigur bezeichnen, auch wenn es nur sehr wenige Szenen gibt, die wirklich aus seiner Perspektive geschildert sind.

Auch Eolyn, um diesen Kreis zu schließen, wirken in der Draufsicht vielleicht stärker als in der Innensicht.

Cassiopeia (2)

Letzte Woche gab es eine neue Leseprobe vom Beginn des letzten Handlungsstrangs, der dem „Licht …“ noch fehlt. Darin fährt die Senatorentochter Cassiopeia gerade ihrem ungewissen Schicksal auf der Insel der Krieger, Leiengard, entgegen. Diese Woche gibt es noch ein paar Beispiele dafür, wie Romane, Rollenspiel und Musik bei mir durcheinandergehen; das eine entsteht oft aus dem anderen und führt manchmal zum Dritten.

Zum Beispiel ist das Bild links genau wie die Faunenbilder, die ich diesen Sommer veröffentlich habe, schon gut zwanzig Jahre alt. Zwar habe ich die perspektivische Verkürzung darauf nicht ganz hingekriegt, dafür beweist es immerhin, dass ich dank eines gelehrten Freunds in meinem Jahrgang (ja, da saß ich noch in der Schule) schon Anfang der Neunziger fließend Tengwar schreiben konnte.

In den Jahren darauf war mir Cassiopeia Inspiration für verschiedene Projekte, nicht zuletzt einige Lieder, die zunächst auf der Gitarre entstanden und dann nach und nach auf dem Keyboard umgesetzt wurden. Drei dieser Lieder kann man aktuell auf der Musikseite meiner Homepage anhören. Dabei sollte man sich allerdings darüber im Klaren sein, dass Cassiopeias musikalische Reise auch nur eine von vielen Variationen ihrer Geschichte darstellt: Ich werde den „Wahrheitsgehalt“ dieser Titel und ihres Begleittextes (der nun auch schon wieder mehrere Jahre alt ist und einige Spoiler zu enthalten scheint) also nicht kommentieren.

Eine neuere Version des letzten Lieds diente auch als Untermalung für den „Fairwater“-Trailer von Olga A. Krouk (dafür sollte man allerdings die Bässe an seinem Rechner voll aufdrehen — sofern man welche hat — sonst hört man sie nicht).

Cassiopeia (1)

Die vergangen Wochen habe ich bereits mehrere Charaktere und Handlungsstränge vorgestellt: Die ersten Leseproben zeigten April erst als kleines Mädchen und dann als jugendliche Ausreißerin, den Zauberer Sarik und Janner, den Fealv.

Ein Handlungsstrang und zwei wichtige Charaktere aber fehlen noch, und dazu gibt es diese Woche eine neue Leseprobe.

Cassiopeia ist ein Charakter, der mir schon sehr lange nachgeht. Auch sie erblickte vor langer Zeit das Licht der Welt zunächst im Rollenspiel, um dann in mehren Welten und Inkarnationen wiedergeboren zu werden. Sie hatte die Hauptrolle in einem nie veröffentlichen Shadowrunroman, den ich mit Anfang zwanzig schrieb, tauchte in „Fairwater“ immerhin als Sternbild auf und stand um ein paar Ecken auch Patin für Miss Niobe im „Kristallpalast“. Im „Licht hinter den Wolken“ sah ich endlich die Gelegenheit, ihre Geschichte in der Form zu erzählen, die ich mir immer gewünscht hatte. Daraus wiederum ergab sich nicht zuletzt die griechisch-römische Nomenklatur im Kaiserreich und sogar das Volk der Phereniden; in Cassiopeia und ihrer Geschichte vereinen sich viele Fantasy-Ideen, die mich in meiner Jugend tief beeindruckt haben, von Conan bis Elric von Melniboné.

Auf die einfachste Formel gebracht, ist Cassiopeia aber eine stolze junge Frau, die fest entschlossen ist, die härteste Kriegerschule der Welt zu durchlaufen, weil sie glaubt, nur so den Mord an ihrer Familie rächen zu können. In obiger Leseprobe — die wahrscheinlich die letzte sein wird, die ich bis zum Erscheinen des Buches im März noch veröffentliche — fährt sie diesem Ziel gerade entgegen.

Sneak Preview

Am Rande der Frankfurter Buchmesse ergab sich auch die Gelegenheit, einen kurzen — kurzen! — Blick hinter die geheimnisvollen Kulissen von Klett-Cotta zu werfen. Es geht jetzt schon mit Riesenschritten voran, aber alles ist noch höchst mysteriös und inoffiziell — was sich wahrscheinlich nächsten Monat irgendwann ändern wird. Aaaaber … einfach mal das Bild links klicken!

Das Cover ist von Max Meinzold, der auch die neue Ausgabe des „Hobbit“ illustriert hat. Auch der Erscheinungstermin im März, rechtzeitig zur Buchmesse, ist wohl mittlerweile spruchreif. Es wird auch Illustrationen geben. Und eine Karte im Einband … Aber pssst! Von mir habt ihr das nicht 🙂

Gastgespräch mit CHRISTOPH LODE, Teil 2

Letzte Woche begann an dieser Stelle ein Gespräch mit meinem Kollegen Christoph Lode. Heute folgt der zweite Teil.

Oliver: Voraussichtlich nächsten Monat wirst du deine Kurzgeschichtensammlung mit dem Arbeitstitel „Schattentänzer“ als Ebook veröffentlichen. Da ich selbst ein großer Fan von Kurzgeschichten und dem DIY-Ansatz beim Publizieren bin, macht mich das neugierig … wahrscheinlich versuche ich nächstes Jahr etwas Ähnliches. Wie kam es bei dir dazu?

Christoph: Ich habe seit vielen Jahren eine Kurzgeschichte und eine Erzählung in der Schublade (die in Wirklichkeit eine Festplatte ist), die ich unbedingt unters Volk bringen möchte. Leider wusste ich lange Zeit nicht, wie — in Deutschland ist es sehr schwer, Prosa zu veröffentlichen, die kein Roman ist. Hier bietet das E-Book natürlich tolle Möglichkeiten. Ich schrieb eine zweite Kurzgeschichte, die inhaltlich mit der ersten Story zusammenhängt, ließ die Texte lektorieren und brachte sie mit Kindle Direct Publishing bei Amazon heraus: So entstand „Schattentänzer“.

Ich bin sehr gespannt, wie das E-Book aufgenommen wird. In den Kurzgeschichten führe ich einen klassischen Sword&Sorcery-Charakter ein, den ich gerne ausbauen würde. Wenn „Schattentänzer“ gut ankommt, schreibe ich vielleicht weitere Geschichten über diese Figur. Außerdem überlege ich, das Ganze shared-universe-mäßig aufzuziehen, also weitere Autoren an dem Konzept zu beteiligen.

O: Die Idee ist reizvoll (und wir brauchen jetzt auch nicht so zu tun, als hätten wir nicht schon darüber geredet …) Ich muss gestehen, noch habe ich keinen Ebook-Reader, und Kindle für PC ist hierzulande leider ein Witz. Laut Amazon verhindert unser Urheberrecht beispielsweise die Implementierung einer copy&paste-Funktion. Ich wüsste wirklich gerne, was die rechtlichen Hindernisse für so etwas sind, und welche Neuerungen, beispielsweise der virtuelle Buchverleih oder ein brauchbares VoD-Angebot, hierzulande von Verlagen oder Verwertungsgesellschaften blockiert werden.

C: Ich bin kein Jurist und kenne das Urheberrecht leider nicht gut genug, um einschätzen zu können, ob Neuerungen in der Unterhaltungsindustrie rechtlich nicht umsetzbar sind oder ob sie von Branchengrößen bewusst blockiert werden. Vermutlich liegt die Wahrheit wie so oft irgendwo dazwischen. Natürlich nehmen Medienkonzerne Einfluss auf die Gesetzgebung — das sieht man ja gerade bei dem unsäglichen Leistungsschutzrecht. Trotzdem ist die Wirklichkeit nicht so schwarz-weiß, wie die Urheberrechtsgegner, aber auch die -hardliner, sie gerne darstellen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein starkes Urheberrecht notwendig ist und eine Wissensgesellschaft ohne nicht funktioniert. Aber wenn ich bei der jüngsten Debatte um das Urheberrecht eins gelernt habe, dann, dass es sich lohnt, auch die Argumente der (vermeintlichen) Gegenseite — in unserem Fall wohl die Piratenpartei — anzuhören. Vieles, was die Piraten wollen, ist so dumm nicht und könnte helfen, Druck aus dem Kessel zu nehmen und das Urheberrecht ins digitale Zeitalter zu führen.

Bleibt halt das leidige Thema Filesharing. Filesharing großflächig zu legalisieren, wie die Piraten es immer noch fordern, wäre für viele Urheber und Verwerter sicher hochproblematisch. Und einen goldenen Mittelweg zwischen Verbot und Legalisierung scheint es hier nicht zu geben. Aber vermutlich wird sich das Problem in den nächsten Jahren von selbst lösen, wenn sich immer mehr legale, bequeme und bezahlbare Vertriebswege für digitale Inhalte durchsetzen.

O: Das wäre sich der beste Weg. Und es hat sich ja schon einiges getan in punkto Kundenfreundlichkeit — siehe Amazon mit ihren mp3s oder Tor Books mit ihren DRM-freien Büchern. Gerade wir sind da doch in einem, sagen wir mal dialektischen (oder trialektischen?) Prozess gefangen: Als Leser oder Dozent würde ich gerne Texte kopieren; als Autor würde ich gerne Bücher verkaufen; als Bürger würde ich gerne vom Staat nicht überwacht werden. Wer das hinkriegt, gewinnt das Internet.

Die digitale Welt bereitet mir aber keine schlaflosen Nächte; eher schon, wie die Diskussion darüber manchmal geführt wird. Ich halte die Piratenpartei jedenfalls für eine bereichernde Kraft im politischen Spektrum, und fühle mich auch nicht von irgendwem bedroht. Vielleicht werden wir uns irgendwann auch wirklich von der Idee verabschieden, Bücher, CDs oder Filme als physische Artefakte zu handeln und stattdessen nur noch unsere Downloads zählen.

Momentan vertraue ich aber noch auf den Mehrwert des gedruckten Buchs mit Cover, Bildern usw. Und die Verkaufszahlen von Ebooks hierzulande scheinen mir recht zu geben, obgleich wohl auch aufgrund der erwähnten Probleme und der oft wenig attraktiven Preisgestaltung der Verlage. Meinst du denn, Ebooks erreichen bei uns in absehbarer Zeit vergleichbare Zahlen wie in den USA?

C: Sicher nicht in den nächsten ein bis zwei Jahren. Aber wer weiß, wie es in fünf aussieht? Ich kann mir schon vorstellen, dass das Ebook in näherer Zukunft einen Marktanteil von 30-40% haben wird. Überhaupt finde ich es sehr spannend zu beobachten, wie sich der Buchmarkt in den nächsten Jahren entwickeln wird. Ich denke, da kommen noch einige Umwälzungen auf uns zu. Was sind deine Prognosen?

O: Es lässt sich jedenfalls beobachten, dass Ebookreader auch ein neues Publikum erschließen, oder Lesen in Umständen erlauben, in denen Bücher eher unpraktisch sind. Und solche Innovationen gehen naturgemäß auch gut mit Inhalten einher, die technikaffine Leser ansprechen. Von daher denke ich, dass gerade in den Bereichen Science Fiction und Fantasy sich schneller etwas tut als in anderen Genres.

C: Davon gehe ich auch aus. Ich sehe das ganz deutlich an meinen Ebook-Verkaufszahlen: Von meinen Fantasybüchern habe ich wesentlich mehr Ebooks verkauft als von den historischen Romanen. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht. Der Untergang des Abendlandes ist das Ebook jedenfalls nicht, und auch das Ende des Lesens sehe ich nirgendwo heraufdämmern. Verlage und Schriftsteller wird es weiterhin geben. Kritisch wird es allenfalls für den klassischen stationären Buchhandel: Ich vermute, hier wird es die größten Umwälzungen geben. Aber wie genau die aussehen, da wage ich mal lieber keine Prognosen. Technikfolgen lassen sich nur schwer abschätzen. Ich meine, wo sind die fliegenden Autos, die man uns in den 50ern für die Jahrtausendwende versprochen hat?

O: Warten wir auf die nicht alle …?